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Jakobsweg

Ulrike Berkenhoff

Active member
1936 entdeckte Josef Spiegel, der Gründer u. langjährige Leiter unseres
Heimatmuseums (Ruhrtalmuseum) unter der Viktorkirche eine Pilgermuschel,
die ein Vorzeigeexemplar für ganz Westfalen ist! Ulrike Spichal (Projektleiterin
der Altertumskommission für Westfalen) erforscht die Wege, Motive u. Bräuche
der Pilger. Darüber hielt sie kürzlich hier einen Vortrag. Könnten wir hier nicht
auch Informationen sammeln zum wieder sehr populären Thema? Es ist ja
wirklich "grenzüberschreitend "von Interesse! Auf Antworten freut sich:Ulrike!
 
Könnten wir hier nicht
auch Informationen sammeln zum wieder sehr populären Thema? Es ist ja
wirklich "grenzüberschreitend "von Interesse! Auf Antworten freut sich:Ulrike

Hallo Ulrike!
Ob du dich über meine Antwort freuen wirst - ???

Ich möchte vorausschicken, dass ich sehr viel wandernd und bergsteigend unterwegs bin, abseits der Touristenpfade, manchmal zufällig auf alten Pilger- und anderen -pfaden.
Aber was seit einigen Jahren unter dem Titel "Jakobsweg" läuft, darauf bin allergisch! Allein google liefert 1 400 000 Treffer; jedes Dorf liegt schon bald am Jakobsweg, Kirchen und Kapellen, die dem Hl. Jakobus geweiht sind, sowieso... - die komerzielle Ausschlachtung ist enorm.
Es gibt sicher Menschen, die aus religiöser Überzeugung diesen Weg gehen, die sind ihn immer schon gegangen und die kümmern sich auch heute nicht um das Trara, das um den Jakobsweg gemacht wird.

Wer sich informieren will:
Es gibt hunderte ,wenn nicht tausende Bücher und websites dazu und darüber, über die geschichtlichen Hintergründe und Routen und kaum ein Reisebüro, das den Jw. nicht im Angebot hat.
Woher ich das weiß? Weil ich hin und wieder in Spanien unterwegs bin und Bekannte mich öfter nach dem Jw. fragten, den ich selber sicher nie gehen werde.
Ob es zielführend ist, auch in diesem Forum darüber zu diskutieren - es gibt eigene Jw.- Foren - und/oder zu informieren, kann ich nicht beurteilen.
 
Hallo Baru,

ich stimme Dir zu, für Leute, die sich für den Jakobsweg interessieren gibt es andere Foren...

Aus Sicht der Ethnologie hat der sehr geschätzte "vagabundierende Kulturwissenschaftler" Roland Girtler ein sehr gutes Buch geschrieben:

Roland Girtler, Irrweg Jakobsweg. Die Narben in den Seelen von Muslimen, Juden und Ketzern

Er belegt in diesem Buch eine Menge Irrtümer zum Jakobsweg, u.a. dass der hl. Jakobus nie seinen Fuß nach Spanien gesetzt hat oder auch nicht in Santiago begraben ist...

Zudem handelt es sich um einen sehr blutigen Weg des Krieges und der Gewalt, in dessen Name u.a. im Zuge der Inquisition Tausende ihr Leben lassen mussten.

Also ein empfehlenswertes Buch (wie alle Bücher von Prof. Girtler), auch wenn vermutlich Pilger davon nichts wissen möchten...

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Mit Antworten meine ich auf jeden Fall auch kritische Auseinandersetzungen!
Vielen Dank für den Buch-Tipp. Ich nehme doch an: die Altertumskommissionen
der verschiedenen Bundesländer werden sich seriös mit dem Thema auseinandersetzten? Sicher versuchen momentan gewisse populäre
Fernsehstars z.B. auf der Frankfurter Buchmesse ihre Pilgererfahrungen
kommerziell zu nutzen. Auch touristisch wird natürlich manches "ausge-
schlachtet". Mir fiel nur auf: bei sagen.at kam nur ein Hinweis, während
zu anderen Themen eine Menge erscheint. Ich verstehe eure Argumente
und schaue auch noch woanders. Als Buchhändlerin kenne ich die Vielfalt
im Literaturangebot! Mich interessieren aber auch ganz persönliche
Berichte, die habt ihr im Grunde schon gegeben. Kann ja sein, daß noch
jemand zum Thema hier etwas beitragen möchte? Wenn Wolfgang es hier
fehl am Platze findet, habe schon mal mitgeteilt: bin nicht böse wenn er
etwas löscht! Hoffe aber weiterhin hier auf guten Austausch, es gibt ja
noch andere Themen. Viele Grüße von Ulrike!
 
Hallo Ulrike,

kein Problem, es sollte auch in diesem Forum möglich sein über den Jakobsweg zu schreiben.

Nach meiner privaten Meinung stimme ich jedoch Baru inhaltlich zu, dass es sich beim Stichwort "Jakobsweg" primär um einen guten touristischen Marketing-Gag handelt.

Mir fiel nur auf: bei sagen.at kam nur ein Hinweis

ich habe das jetzt nicht überprüft, denke aber, da wir im redaktionellen Teil von SAGEN.at primär historisch-volkskundliche Texte führen, dass das Thema eben erst ein neueres Kulturphänomen ist.

Vor ein paar Jahren habe ich mich noch gewundert, wie so manch' Tiroler Bergdorf plötzlich am Jakobsweg liegen könnte. Heute gibt es wohl kaum mehr ein Dorf, welches nicht am Jakobsweg liegt. Wenn Du alle diese Dörfer zu Fuss abgehen würdest, bist Du sicher allein in Tirol einige Monate am Zick-Zack-Weg... :nono:

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Mit dem Vorbemerken
- daß es natürlich DEN Jakobsweg genausowenig gibt wie DIE Seidenstraße oder DIE Bernsteinstraße,
und der persönlichen Bemerkung
- daß ich die Vorbehalte von baru und Wolfgang weitgehend teile,

muß ich doch feststellen, daß eine Diskussion über das neuerwachte oder neuentfachte Jakobspilgerwesen gerade in einem Forum, das sich auch der aktuellen Volkskunde widmen will, sehr am Platze ist!
Nicht unter dem Aspekt von Glauben oder Nicht-Glauben, der uns da wohl nicht primär beschäftigen muß, aber unter dem Aspekt der Wiederbelebung oder Neuerfindung alter Bräuche finde ich die Sache höchst interessant.

Zumindest eine Sammlung der in den allerletzten Jahren errichteten Denkmäler, Inschriftentafeln, Wegweiser, Brunnen etc. etc., die an die Jakobspilger erinnern, und im Gegenzug vielleicht auch der - zumindest in deutschsprachigen Gegenden - wenigeren, die wirklich noch mit dem historischen Pilgerwesen zu verbinden sind, wäre vielleicht nicht ohne Reiz...

Und etwas würde mich noch persönlich interessieren: Hat jemand eine Erklärung dafür, warum von allen großen Pilgerzielen (Jerusalem, Rom usw.) gerade Santiago so eingeschlagen hat?

D.F.
fürs erste mit den besten Wünschen für eine geruhsame Nacht
 
Zuletzt bearbeitet:
daß eine Diskussion über das neuerwachte oder neuentfachte Jakobspilgerwesen gerade in einem Forum, das sich auch der aktuellen Volkskunde widmen will, sehr am Platze ist!

Danke! Das wollen wir doch gerne beleuchten!

Hier mal zum Anfang die (angeblich) älteste Jakobsmuschel in Tirol:

Jakobsmuschel_Schoenwies_Tirol.jpg

Zeugnis eines Pilgers am Jakobsweg aus dem Jahr 1604, Rötelstift
Jakobsmuschel und Pilgerstäbe
gesehen in Obsaurs, Schönwies, Tirol
© Wolfgang Morscher, 9. Oktober 2005


Bei den aktuelleren Hinweistafeln, die es vermutlich im Spezialversand für Gemeindebedarf schon einige Zeit gibt, habe ich schon vor ein paar Jahren aufgehört diese zu fotografieren. Es gibt aber sicher unzählige ziemlich ähnliche Tafeln in unserem Bildarchiv, wird nachgereicht...

Wolfgang (SAGEN.at)
 
"Spezialversand für Gemeindebedarf" gefällt mir!

Das ist dann wahrscheinlich aus dem Katalog für Abteien mit gehobenen Ansprüchen:

Maria_Laach_Brunnen.jpg

Maria Laach (Sept. 2006)
 
Nur eine kleine Anmerkung aus persönlicher Erfahrung, ohne zu verallgemeinern:

Diejenigen, die diesen Pilgerweg aus spirituellen Motiven gegangen sind, reden nicht gerne darüber. Die, die viel darüber reden (schreiben), verfolgen meistens kommerzielle Interessen.

Tip: in der Bildgalerie nach "Jakobsweg" suchen. Zwei Fotos sind's mindestens ;)
 
mit 14/15 jahren war ich mit meinen eltern auf einer busreise ... quer durch europa ... dort fuhren wir auch den jakobsweg entlang ... leider hat man in diesem alter andere interessen als mit einem bus voller älteren leuten und pfarrern zwei wochen durch die halbe weltgeschichte zu pilgern ;) ... der andere nachteil war auch dass wir jeden abend in einem anderen hotel bzw stadt waren ... sprich man kommt total durcheinander wo man was gesehen hat ... aber die eindrücke die ich noch habe sind atemberaubend ...
 
Ich erinnere mich an meinen ersten richtigen Bergurlaub in St. Ulrich/
Gröden/Südtirol. Dort steht das alte Kirchlein St. Jakob (1566 ) erbaut um
1350, Fresken aus dem 15. Jht. Es war für mich ein ungewohnt steiler
Anstieg (denn wir wohnen fast auf Meereshöhe!), die wunderbare Aussicht
belohnte uns. Ich kannte früher fast keine Heiligenlegenden oder -bräuche,
deshalb vielleicht meine Neugierde! Habe mir dann St. Ulrich als "Schutzpatron"
auserkoren, da mein Name ja zu ihm paßt. Viele Grüße von Ulrike!
 
Nochmal zum Thema : Es war mir neu, daß es sogenannte Berufspilger gab,
die reichen Leuten gewissermaßen den Weg abnahmen . Weiß jemand etwas
darüber, ich las diese Kurznotiz in einer Wochenzeitung. Bin gespannt
auf Antworten! Viele Grüße von Ulrike!
 
Ob es in jenen älteren Zeiten, da der Jakobsweg noch wirklich en vogue war, Berufspilger gegeben hat, weiß ich auch nicht, aber im 19. Jh. gab es zumindest in Tirol sehr wohl Leute, die gegen Bezahlung (oder andere Entlohnung) für andere auf Wallfahrt gegangen sind.
Im Pustertal erfreute sich z. B. ein gewisser Georg Töchterle, vulgo Rueper-Jörgele, einschlägiger Bekanntheit; er war zunächst Knecht, dann Tagelöhner, nebenbei Bauerndichter und in späteren Jahren eben auch (Neben-?) Berufswallfahrer.
Weniger wegen dieser Tätigkeit als wegen der originellen poetischen Produktion wird seiner in diversen Heimatbüchern aus der Gegend immer wieder gedacht.

Während ich diese Notiz geschrieben habe, habe ich neugierhalber auch im Internet nachgesehen, ob er da erwähnt werde - und siehe da, er hat gewissermaßen seine eigene Homepage (Admin: externer Link existiert nicht mehr) bekommen im Zusammenhang mit einer geplanten Edition seiner Werke, von der ich nur hoffe, daß sie nicht so schwach werden wird wie die Orthographie genannter Homepage!
 
Nach längerer Zeit doch noch mal zum Thema: Mit dem Westfälischen
Jakobsweg ist die Verbindung Nordspanien -Baltikum hergestellt.
Die Altertumskommission für Westfalen hat dafür 7Jahre Forschungsarbeit
investiert. Im vergangenen Jahr haben 14.000 deutsche Pilger , 70 Prozent
mehr als im Jahr zuvor, Spanien erreicht. Der Weg läuft entlang einer alten
Fernhandelsstraße von Wuppertal über den geschichtsträchtigen Ort
Hohensyburg (Dortmund), Münster u. Osnabrück. Die Pilgerreise hat über
1000 Jahre Tradition. Seit einigen Jahren erlebt sie eine Renaissance, jeder
8. Fußpilger soll aus Deutschland kommen. Bereits 1987 hat der Europarat
aufgerufen, die Jakobswege europaweit wissenschaftlich zu erforschen.
1993 erklärte die UNESCO den Weg zum Weeltkulturerbe (wußte ich
bisher auch nicht). Diese Infos stammen aus: Unsere Zeitung für den Kreis
Unna, 3/08 - Viele Grüße von Ulrike
 
Ein Bekannter machte vor zwei Jahren eine Fußwallfahrt von Wien nach Maria Taferl in Niederösterreich. Dabei wurde er von den begegnenden sehr freundlichen Einheimischen oft bezüglich seines Wallfahrtszieles befragt. Die Antwort "Maria Taferl" löste bei den Leuten nur Kopfschütteln aus! Immer wieder wurde er gefragt, ob er nicht doch auf dem Jakobsweg nach Spanien unterwegs sei! Man merkt, die intensive Werbung durch die Medien wirkt!
 
@ Hornarum: da stimme ich Dir völlig zu!

Als Beispiel kann ich einen regionalen Verlag in meiner Region anführen. Dieser Verlag hat mindestens 25 Bücher zum Jakobsweg und Santiago de Compostela im Programm, derzeit jedoch kein einziges Buch zu regionalen Wallfahrtswegen.

Es wäre überhaupt interessant, ob Leser hier von regionalen Wallfahrtswegen berichten möchten?

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Seit einigen Jahren wird der Jakobsweg auch in Niederösterreich, vor allem zwischen Göttweig und Melk, stark beworben. Für uns war Maria-Taferl immer für ein schnelles Gelöbnis gut, es war ja nicht weit, auch für die Führerscheinprüfung bin ich mit einer Freundin hinmarschiert. Vielleicht ist es aber auch mit der Wallfahrt so, dass es am liebsten dorthin sein muss, wo es was her macht, wo man gewesen sein muss und eine so lange Strecke geschafft zu haben ist sicher was besonderes.
Aber gerade deshalb sollte man die regionalen Wallfahrtsorte, die vielleicht gar nicht mehr regelmäßig begangen werden, nicht in Vergessenheit geraten lassen. Meine Großmutter ging jedes Jahr nach Maria Steinparz, das kennt vermutlich außerhalb des Bezirkes niemand. Ich hab sie oft begleitet, als Bußverschärfung, zumindest war sie sich dessen sicher - und ich denke heute noch oft daran.
 
Maria Steinparz ist in einschlägigen Kreisen duchaus bekannt und wird auch noch gerne besucht. Eine Bekannte aus Hörfarth hat in den Jahren 1998 und 1999 an Buswallfahrten dorthin teilgenommen und hat auch neue Bildchen mitgebracht. Ob in der Zwischenzeit weitere Wallfahrtsbildchen ausgegeben wurden, ist mir nicht bekannt.
Die Andachtsbildersammlung Prof. Hermann Maurer (Horn) enthält derzeit 54 Wallfahrtsbildchen aus der Zeit von etwa 1857 bis 1999 von diesem Wallfahrtsort. Ein Bildchen, eine Chromolithographie aus dem Verlag des Gregor Fischer in Innsbruck enthält den handschriftlichen Vermerk "Zum Andenken an den Bittgang bei anhaltender Dürre nach Maria Steinparz 11. 8. 1904". Weiters gibt es von diesem Wallfahrtsort auch zahlreiche teils qualitätvolle Ansichtskarten, eine neueren Datums wurde vom Gasthaus "Zur Wallfahrtskirche" Hubert und Andrea Kraus herausgegeben.
 
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