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Hexenprozesse

Ulrike Berkenhoff

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Der Dortmunder Chronist Detmar Mülher schrieb über das Jahr 1593:
Am 8. Mai wurde auf Befehl des wohlachtbaren Rates auf dem Richthause
Henrich Putmann, gen. Frohpiepe, von Menglinghausene gebürtig, auf den
Judenturm und Carda Mane auf den Turm hinter St. Catharinen gesetzt. Sie
waren Nachbarn und wohnten in der Stubengasse. Puttmann hatte seine
Nachbarin als Zauberin angeklagt und deswegen Fuß und Mal halten wollen.
Beide wurden am 14. Juni morgens zwischen 4 und 5 Uhr auf den Mühlenteich
vor dem Kuckelketor zur Probe auf das Wasser geworfen, Heinrich Puttmann
als Kläger und Carda Mane als Beklagte. Heinrich fiel im Wasser zu Boden, Carda
schwamm dreimal, zweimal kreuzweise an den Daumen und großen Zehen
zusammengebunden, zum dritten Mal losgebunden, gleichwohl blieb sie oben.
Carda Mane war hierdurch der Zauberei überführt und kam in den Diebskeller
unter dem Rathause. Als am 26 Juni frühmorgens der Scharfrichter in ihre
Zelle trat, um sie zum Richtplatz zu führen, fand er sie tot mit gebrochenem
Genick. Der Teufel hatte ihr in der Nacht den Hals gebrochen. Sie wurde von
dem Racher (Schinder) vor der Westenpforte auf der Rachergrube
(Schindanger) begraben.
Schrecklich: dies ist eine wahre Geschichte. -
Der Schinder beseitigte eigentlich Tierkadaver!
Ulrike
 
Diese Zeit war, sowieso eine gnaz schlimme.
Da hat einer den anderen beschuldigt und das ganze unter der Folter, die sowieso niemand aushalten konnte.

Keiner traute mehr dem anderen und die Zeugen, die aussagten, waren teilweise sehr zweifelhaft.

Tschossi
 
Fortsetzung:

Am 23. Juni desselben Jahres wurde Wessel Kipp wegen Zauberei überzwerch
gebunden, auf den Teich geworfen und hat dreimal geschwommen. Am 14.
Juli ist er vor dem Westentore an der Richtstätte enthauptet und daselbst
begraben worden.
Bei seiner Vernehmung vor Gericht bezichtigte er folgende Personen, die er bei
den nächtlichen Zaubertänzen auf Kreuzwegen gesehen haben wollte, der
Zauberei:
1. die Korte Enne, des Boten Jobsten Potters Weib,
2. die Tribbel Enne, Henrich Tribbelmanns Weib,
3. Drud Krumme, des Tagelöhners Johan Krummes Weib,
4. Enne Kurlemann
und 5. die Witwe Reinhold Diffhausen
Am 26. Juli wurden von dem Scharfrichter in den Kuckelke-Mühlenteich zur
Hexenprobe geworfen: Drude Krumme, Enne Kurlemann und die Tribbel Enne.
Diese haben alle drei geschwommen.
Am 13. Juli hat sich die Kurlemannsche in dem Turm an dem Windmühlen-
berge mit ihrem Schürzentuch, das sie sich in den Mund gestopft, und
einem Schnürriemen, den sie sich um den Hals gebunden, selbst erstickt.
Sie wurde auf der Rachergrube begraben.
Am 2. August wurden die Korte Enne und die Witwe Dieffhausen auf den
Teich geworfen und haben beide geschwommen. Am 4. August ist vor dem
Westentore die Korte Enne auf der Rachergrube wegen ihrer Zauberei an
einem Pfahl geheftet und zu Pulver verbrannt worden.
Denselben Tag morgens um 10 Uhr ist die Witwe Dieffenhausen im Diebskeller
plötzlich tot zur Erde gefallen, als schon die Richtglocken dreimal geläutet
waren und ein wohlachtbarer Rat gleich vom Rathaus nach dem Richthause
abging, die Dieffhausen zum Tode zu verurteilen. So ist deswegen der
Leichnam auf einer Karre vor das Richthaus gebracht und dann auf der
Rachergrube begraben.
Als letzte der 5 Hexen fand die Tribbel Enne den Tod. Sie wurde an einen Pfahl
gebunden und lebendig verbrannt.
Diß gantze Jahr seyn also wegen Zauberei viel hingesetzt und nach
Bekenntniß gebrennet und hingerichtet - so der gen. Chronist.

Diese Beispiele stehen für viele - auch "Namenlose" - ungeheuerlich und
schrecklich, was den Menschen angetan wurde zur Zeit des "Hexenwahns".

Sicherlich haben viele Orte solche "dunklen Flecke" in ihrer Geschichte.
Vielleicht gibt es aber auch das Gegenteil: Orte, von denen man weiß, daß
sie dergleichen nicht mitgemacht haben? Wäre interessant zu hören bezw.
hier davon zu lesen! Ulrike
 
Eine Geschichte aus meinem Dorf - auch hier gab es Hexenprozesse.
Bekannter sind die Hexen- und Zaubererprozesse im Raume Riegersburg
.

Ein politischer Zaubereiprozess

Einzelne Grundherren benutzten den Hexenwahn, um ihre Untertanen einzuschüchtern. Um 1670 leisteten die im Dorf Altenmarkt bei Fürstenfeld ansässigen Untertanen den Versuchen des Herrschaftsverwalters Martin Griesperger, neue Abgaben und Dienste einzuführen, erbitterten Widerstand. Einer ihrer Anführer war der Bauer Thomas Kolb. Nachdem Kolb aber 1673 gestorben war, kam es zwischen seiner Witwe Elisabeth und dem Nachbarn Georg Kapfensteiner zu Streitigkeiten. Der Haß des Nachbarn nahm schließlich solche Formen an, dass er Elisabeth Kolb beim Herrschaftverwalter als Hexe oder Zauberin anzeigte. Er behauptete, dass die Witwe eine geröstete Kröte auf ihren Krautacker geworfen hätte, um mit Hilfe dieses Zaubermittels Diebstähle zu verhindern. Zwei Soldatenfrauen hätten dann von diesem Acker Kraut gestohlen und wären erkrankt bzw. gestorben.
Der Verwalter benutzte sofort die Gelegenheit, um zwischen die aufsässigen Untertanen einen Keil zu treiben. Er ließ die Witwe festnehmen und in Fürstenfeld einkerkern. Nachdem sie monatelang im Kerker gelegen war, gestand sie, dass sie tatsächlich eine Kröte mit heißem Schmalz übergossen und auf den Krautacker geworfen hätte. Sie bestritt aber jeden Zusammenhang mit der Erkrankung der beiden Frauen, da diese das Kraut von einem anderen Feld gestohlen hätten. Es zeigte sich nun, daß der Prozeß nur ein Vorwand war, um die Familie Kolb einzuschüchtern. Weder Georg Kapfensteiner noch ein anderer Zeuge konnten nämlich den Nachweis erbringen, dass tatsächlich jemand nach dem Genuß der Krautköpfe gestorben war.
Das von Griesperger beeinflusste Gericht ordnete nun die Folterung der Frau an. Die Witwe beharrte aber weiterhin auf ihrer Aussage, weshalb sie schließlich vom Vorwurf der Zauberei freigesprochen wurde. Es ist nun auffällig, dass das Gericht nur die ersten Foltergrade anwenden ließ und darauf verzichtete, den Willen der Frau durch schärfere Foltermethoden zu brechen. Der Verwalter hatte aber auch so sein Ziel erreicht. Elisabeth Kolb mußte sich nämlich vor ihrer Entlassung verpflichten, sämtliche Gerichtskosten zu übernehmen und sich an keiner der am Prozeß beteiligten Personen zu rächen. Außerdem mußte sie versprechen, falls neue Indizien gegen sie auftreten sollten, sich sofort dem Gericht zu stellen. Als Sicherstellung mußte sie ihr gesamtes Hab und Gut dem Verwalter überschreiben und noch zwei andere verwandte Bauern als Bürgen stellen. Dies bedeutete nichts anderes, als daß die Familie Kolb wirtschaftlich ruiniert war und der Verwalter der Witwe jederzeit mit der Einleitung eines neuen Verfahrens drohen konnte.

(aus: Steirisches Volksbildungswerk (Hrsg.), Steirische Berichte 2/3 87 )

Franz A. Rabl
 
Hallo Ulrike,

Ulrike Berkenhoff schrieb:
Sicherlich haben viele Orte solche "dunklen Flecke" in ihrer Geschichte. Vielleicht gibt es aber auch das Gegenteil: Orte, von denen man weiß, daß
sie dergleichen nicht mitgemacht haben? Wäre interessant zu hören bezw.
hier davon zu lesen! Ulrike

In Wien hat es keine sog. Hexenverfolgung gegeben. Es ist "nur" eine einziger Fall bekannt: Elsa Plainacher. Die Plainacherin wurde als ca 70-jährige beschuldigt, ihre Enkelin verhext zu haben. Im Malefizspitzbubenhaus (das Haus stand an der heutigen Adresse Rauhensteingasse Nr 10 im 1.Bezirk) wurde die alte und kranke Frau einer dreimaligen Folter unterzogen, bis sie alles gestand, was die Richter zu hören wünschten. Sie wurde auf dem Richtplatz "unter den Weißgerbern" (heute im Bezirk Landstraße) als Hexe verbrannt. Der "Plainacherin-Prozess" war ein in der Öffentlichkeit sehr beachteter Fall und beschäftigte höchste Kreise. Im 22.Bezirk ist eine Straße nach ihr benannt: Elsa-Plainacher-Gasse.

Das ist der einzige in Wien bekannte Fall eines Hexenprozesses.

LG,
Dolasilla
 
Ging man bisher in der Stadt Kamen (Krs. Unna in Westfalen) davon aus, daß
hier keine Opfer der Hexenverfolgung zu beklagen sind, fand sich nun ein
Dokument. Der Arzt Johann Weyer berichtete in seiner Schrift: De praestigiis daemonum - Von Teufelsgespenst, Zauberern und Giftbe-
reitern ... Lat. 1563/Dt. 1586 von dem Fall der Elsa von Kamen. Sie war
Köchin im Kloster Kentrop/Hamm (Zisterzienserinnen) und wurde beschuldigt,
die Nonnen vergiftet zu haben. Diese litten an seltsamen "Zuständen".
Eine Nonne trat später aus dem Orden aus, heiratete und war plötzlich gesund!
Der Hofarzt Weyer glaubte schon damals nicht an die Beschuldigung, er
tippte auf "Melancholie", heuer würde man vielleicht auf "ansteckende"
Hysterie oder ähnliches kommen, also eher seelisch/nervliche Probleme.
Die Hexe und ihre Mutter wurden jedenfalls verbrannt. Der ganze Bericht im
Jahrbuch des Kreises Unna, 2008. Ich kann ihn hier nicht vollständig
übermitteln. Mir war neu, daß J. Weyer auch ein Gegner des unseligen
Zeitgeistes war. Er sah alles aus ärztlicher Sicht! Es ist doch erstaunlich, daß
nach so langer Zeit immer noch Dinge aufgedeckt und entdeckt werden, die
grausame Justizirrtümer beweisen. - Ulrike
 
Ein weiterer Hexenbericht: 1460 hatte Alheyd Pustekoke, eine junge
Blomberger Bürgersfrau, 45 geweihte Hostien aus der Kirche St. Martin (von
der heuer nur noch der Turm steht) gestohlen. Aus Furcht vor Entdeckung
warf sie diese dann in den benachbarten Brunnen. Dabei wurde sie beobachtet.
Sie kam ins Gefängnis und wurde als Hexe verbrannt. Der "Wunderbrunnen"
wurde zum Pilgerort, von dem Wasser erhofften sich viele Menschen Heilung.
Es wurde dort eine Kirche und später ein Kloster gebaut, von dem noch die
heutige Kirche steht. Die Kirche steht im Lipperland (NRW) am "Seligen
Winkel". Dies soll aber nichts mit seelig zu tun haben, sondern von Siel
(Wasser) kommen. - Wen es interessiert: www.blomberg-lippe.de
Meine Quelle: Artikel in der UK (Ev. Zeitung f. Westf. u. Lippe)

Viele Grüße von Ulrike
 
"Hexen-Mythos und Wirklichkeit" Die aktuelle Ausstellung im Hist. Museum
Speyer erklärt u.a. welche gesellschaftlcihe Situation der Nährboden für
den Hexenglauben war. Entgegen der allgem. Volksmeinung war die Hexen-
verfolgung kein Phänomen des "finsteren" Mittelalters, sondern der frühen
Neuzeit. Erst nach der Reformation war die "Hoch"-Zeit der Hexenprozesse. -
Ein bekanntes Werk aus dieser Zeit war der" Hexenhammer" des
Dominikanerpaters Heinr. Kramer auch Henricus Instiotoris gen. Das Buch
wurde in Speyer gedruckt! - 60 000 Prozesse soll es gegeben haben zwischen
15. u. 18. Jahrhundert, die letzte Hinrichtung datiert 1795. - Dies nur ein
Auszug aus einem Artikel in "Unsere Kirche", Ev. Wochenzeitung, Nr. 40/09.
Wer mehr wissen möchte: Ausstellung in Speyer oder www.hexen.speyer.de
Viele Grüße von Ulrike
 
"Wasserprobe" - soll von Papst Eugen vorgeschlagen worden sein, um Hexen und
Zauberer zu überführen: Der Daumen der rechten Hand wurde an die Zehe des
linken Fußes, der Daumen der linken an die große Zehe des rechten Fußes
festgebunden. Um den Leib wurde ein Seil gebunden, der/die Beschuldigte ins
Wasser geworfen. Ging man unter, war die Unschuld bewiesen. Schwamm man
oben, war man schuldig. Denn nur der Teufel konnte ein Sinken verhindern.
Der Büttel , der das Seil hielt, hatte eine Machtposition! Außerdem konnte
natürlich ein Unschuldiger auch ertrinken, wenn man ihn nicht schnell genug
hochzog. Dann bekam er ein ehrenvolles Begräbnis. Schuldige wurden verbrannt!
Diese Aufzeichnungen fand ich bei einem Onkel (Lehrer), der auch Sagen
sammelte. Leider ohne Quellenangaben.
In unserem Stadtteil Ergste gab es so einen Zauberer, der der Wasserprobe
unterzogen wurde. Der Ort heißt Ögerstein. Die Ergster nennen sich noch
"Wülw (f) e", ob nach dem Werwolf oder aus der Römerzeit (Soldaten) bleibt
im Dunklen. Sie haben den Wolf im Wappen. -
Viele Grüße von Ulrike
 
Eva Kary, bekannt unter ihrem Geburtsnamen Faschauner, war wahrscheinlich die Letzte in Österreich, der ein Hexenprozess gemacht wurde.

Der Tochter eines Malteiner (Maltatal, Kärnten) Bergbauern hat angeblich ihren Gatten Joseph Kary vulgo Hörl am 9. Oktober 1770 mittels Hüttenrauch (Arsenik) vergiftet. Daraufhin wurden vom Landgericht Gmünd in Kärnten Ermittlungen eingeleitet. Von Zeugen schwer belastet, wurde ihr auch Hexerei vorgeworfen. In dem drei Jahre dauernden Prozess gestand sie den Mord unter Folter. Sie wurde zum Tode verurteilt, ein Gnadengesuch lehnte das übergeordnete Gericht in Wien ab.

1773 wurde sie durch das Richtschwert getötet und ihr abgeschlagener Kopf auf dem Galgenbichl mahnend zur Schau gestellt.

Über die bei uns so genannte Faschaunerin wurden mehre Bücher geschrieben. Auch sollen angeblich Pläne bestehen, ihr Leben zu verfilmen. Die Künstlerin Gudrun Kargl will den Prozess neu aufrollen lassen. Der Akt über ihren Prozess befindet sich im Landesarchiv Kärnten.
 
nahm heute an einen vortrag mit dem titel "magie im mittelalter" teil ... dort wurde die herkunft der hexerei besprochen und dass viele gewohnheiten die wir heute noch haben von damals zurückzuführen sind (zB die rechte, gute, hand zum gruß zu geben) ...

ich finde das thema sehr interessant ... zwar haben wir die hexenprozesse nur gestreift aber was hier vielleicht noch relevant ist ... der berühmte hexenhammer (auch bekannt als malleus maleficarum) aus dem jahre 1487 stammt von jakob sprenger und heinrich institoris ... eigentlich wäre er als handbuch für juristische korrekte hexenverfolgung gedacht ...
 
Hexenprozesse in Kursachsen

Auch in Kursachsen war die Hexenverfolgung an der Tagesordnung. Ich habe zu diesem Thema die nachfolgenden Ausführungen gefunden:

Im Jahre 1572 erlangten die kursächsischen "Constitutionen" dann Gesetzeskraft. Darin wurden alle Fragen zum Zivil- und Strafrecht sowie zum Prozessverlauf erneut geregelt, wobei auch die Festsetzungen zum Zauberei- und Hexereiverbrechen eine weitreichende Differenzierung in ihrer Darstellung und Strafmaßzuschreibung erfuhren. In dieser Beziehung war der auch über verschiedene Juristen rezipierte "Malleus maleficarum" von besonderer Bedeutung. Neu war vor allem die Aufnahme der mit dem Feuertod zu ahndenden Teufelsbuhlschaft auch in dem Fall, wenn niemandem ein Schaden durch Zauberei entstanden war.

Der Einleitung eines Inquisitionsprozesses ging in aller Regel eine Anzeige am lokalen Gerichtstag voraus. Im Einzelfall ist dieser aber auch von der landesherrlichen Kanzlei oder einer Rittergutsherrschaft angewiesen worden. Der Generalinquisition folgte bei ausreichenden Indizien die Spezialinquisition, oder im anderen Fall die Verfahrenseinstellung. Die formal gesehen neutrale Prozessführung ließ Sanktionen von Seiten des Angeklagten oder dessen Angehörigen kaum zu, nur im Ausnahmefall ist eine Verteidigung belegbar. Berufungsverfahren in eine höhere Instanz waren nach den Grundsätzen der kursächsischen Gerichtsverfassung für Strafverfahren ausgeschlossen. Eine zentrale Rolle für die Führung von Strafverfahren kam den lokalen Gerichten zu. Sie standen seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ausnahmslos - gleich ob an Stadt- und Patrimonialgerichten oder landesherrlichen Ämtern - unter der Leitung von studierten Juristen, die die Prozessabschnitte koordinierten. Die Zwischen- und Endurteile mussten grundsätzlich von speziell von den Landesherrschaften bestätigten Schöffenstühlen oder Juristenfakultäten extern eingeholt werden. Zugelassen waren der Schöffenstuhl und die Juristenfakultät in Leipzig und das Hofgericht, die Juristenfakultät und der Schöffenstuhl in Wittenberg. Durch landesherrliche Weisung erlangte der Leipziger Schöffenstuhl für die Spruchfassung in Strafverfahren eine herausragende Bedeutung für Kursachsen, wohingegen die Wittenberger Spruchbehörden Einschränkungen unterlagen. Allein die schriftsässigen (Sitz und Stimme im sächsischen Landtag) und mit der Obergerichtsbarkeit ausgestatteten Rittergüter konnten sich an Spruchbehörden wenden, die außerhalb der Landesherrschaft lagen.

Verlauf und regionale Schwerpunkte der Hexenverfolgung

Die Herausbildung des Hexereistraftatbestandes in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts stellte einen wichtigen Paradigmenwechsel dar, wobei die Vorstellung des Schadenszaubers geistesgeschichtlich mit dem Glauben an die Existenz einer ketzerischen Sekte koalierte. Die Bekämpfung der Waldenser wurde in Kursachsen bereits zu diesem Zeitpunkt vor weltlichen Gerichten geführt, deren Schwerpunkte im Raum Dresden (1407-1434) und Sangerhausen (1414, 1454) lagen. Mehrfach war es dort zu Ketzer- und Zaubereranklagen und Verbrennungen gekommen. Im Gegensatz zu anderen deutschen Landesherrschaften erreichte in den wettinischen Erblanden der neu aufkommende Hexentopos in der Folgezeit trotzdem keinen herausragenden Stellenwert. Dominant blieb der Glauben an die Realität des individuell begangenen Schadenszaubers.

Der Gesamtzeitraum archivalisch belegbarer Zauberei-, Ketzerei- und Hexenprozesse erstreckte sich, beginnend 1407, über 350 Jahre. Bei der Gesamtzahl von etwa 900 belegbaren Verfahren lassen sich zwei zeitliche Schwerpunkte ablesen. Es sind die Zeiträume von etwa 1610 bis 1630 und 1655 bis 1665, in denen im gleichen Verhältnis auch die Zahl der Vollstreckungen von Todesstrafen in die Höhe schnellte. Als Schwerpunkt der Verfolgung im mitteldeutschen Raum kristallisiert sich das Gebiet der vormaligen Grafschaft Henneberg heraus. Nach zunächst gemeinschaftlicher wettinischer Verwaltung, kamen daraus die vier Ämter Suhl, Schleusingen, Benshausen und Kühndorf 1660 zum Herzogtum Sachsen-Zeitz. Die starke Hexenverfolgungswelle hielt dort bis um 1675 ungebrochen an.

Allein in dieser sehr kleinen Region lassen sich bisher 251 Hexenprozesse mit mindestens 164 Vollstreckungen von Todesurteilen (65,3%) nachweisen. Im erbländischen Anteil Kursachsens bildeten die Ämter Wittenberg mit 39, Dresden mit 38, Delitzsch und Gommern mit je 22 Prozessen Schwerpunkte, wobei dort der Anteil von vollstreckten Todesstrafen unter einem Drittel lagen. Im Gegensatz dazu gab es aber auch Ämter ohne nachweisbare Verfolgung, wie beispielsweise Mutzschen, Gräfenhainichen und Altenberg.

Eine wichtige Zäsur bei der Gesetzgebung stellte die 1661 in Kraft getretene kursächsische Polizeiordnung dar, die auch von Benedict Carpzov beeinflusst worden ist. Sie steht am Beginn eines - wenn auch langsamen - Öffnungsprozesses bei der Kodifizierung dieses Straftatbestandes und im Rechtsalltag. Trotzdem wurde noch 1689 ein letztes Todesurteil wegen Hexerei in Kursachsen vollstreckt. Das Rittergutsgericht in Ostrau / Amt Delitzsch ließ, nach einem Urteilsspruch des Schöffenstuhles in Halle / Saale, Anna Maria Braune lebendig auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Noch bis 1766 sind im Einzelfall inquisitorisch geführte Verfahren zum Straftatbestand der Zauberei belegbar, die aber nach 1700 mit Verfahrenseinstellung oder Bagatellstrafen beendet worden sind. Am Anfang der stärker differenzierten Beurteilung des Hexendelikts in Sachsen standen neben Juristen auch Mediziner wie Johann Michael und Johann Caspar Westphal sowie Theologen wie Philipp Jacob Spener. Allmählich wurde seit Beginn der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts interdisziplinär das Strafrechtsproblem der Hexerei rational hinterfragt und die Auffassungen der Frühaufklärung wirksam. Das Ende der Vollstreckung von Todesurteilen in Hexenprozessen stand in engem Zusammenhang mit der Ablösung der scholastischen Tradition durch die Naturrechtslehre.

Angeklagte vor Gericht

Im Zusammenhang mit der juristischen Verfolgung von Zauberei und Hexerei gilt es mehrere Aspekte zu berücksichtigen. Neben den verantwortlichen Personen am lokalen Gerichtssitz (juristisch geschulte Schösser) und in den Spruchbehörden (gelehrte Juristen) waren es auch die Verhältnisse der Gerichtsverfassung. Von den bisher nachweisbaren 905 Anklagen wegen Hexerei und Zauberei gegen Einzelpersonen in Kursachsen wurden 614 (67,8%) vor landesherrlichen Ämtern verhandelt, von denen für etwa ein Drittel Todesurteile gefällt oder vollstreckt worden sind. Vor Stadtgerichten waren es 190 (21%) und vor Patrimonialgerichten der Rittergüter 99 (10,9%) Angeklagte. Der quantitative Unterschied in der Zahl der geführten Strafverfahren stand etwa im proportionalen Verhältnis zur Gesamtbevölkerung. Damit lassen sich keine signifikanten Unterschiede bei Hexereiverfolgungen zwischen den verschiedenen Gerichtsarten feststellen. Dagegen lässt sich die Mehrzahl der Einzelanklagen (78,8%) dem ländlichen Raum zuweisen. Die Wahrscheinlichkeit wegen eines Hexereivorwurfes angeklagt zu werden war auf dem Lande um etwa 10% höher als in der Stadt.

Den Straftatbeständen der Hexerei und Zauberei verwandt, wurden auch Verfahren gegen Segensprecher, "kluge" oder weise Leute und magische Heiler, Wahrsager und wegen abergläubischer Händel geführt. Daran wird der sehr differenzierte Umgang mit Tatvorwürfen im Rechtsalltag deutlich, was auch für die Strafmaßzuschreibung zutraf. Von den 905 bekannten Einzelanklagen wurden an mindestens 284 Personen Todesurteile vollstreckt (31,4%), davon wiederum 32,6% vor Ämtern, 28,9% vor Stadtgerichten und 29,3% vor Patrimonialgerichten. Neben dem Feuertod gab es auch die Begnadigung in Form der Enthauptung durch das Schwert. Für Delikte nichtschädigender Magie wurde in der Regel die Landesverweisung ausgesprochen. Bei einigen wenigen Fällen hat man bereits ausgesprochene Todesurteile in Landesverweisung oder nach 1661 dieselbe auch in Festungsbauhaft umgewandelt. Darüber hinaus gab es im Zusammenhang mit Kombinationsdelikten wie Diebstahl und Brandstiftung auch Urteilsvollstreckungen durch Tod durch den Strang, Tod durch Rädern, Ertränkung durch das so genannte Säcken und Begnadigung von Ertränkung durch Säcken durch Enthauptung. Für leichtere Zaubereivergehen lassen sich bestimmte Zivilstrafen wie Stehen im Pranger, Züchtigung, Haft- oder Geldstrafe und sogar die Genehmigung zur Ehescheidung belegen. In minderschweren Einzelfällen wurden Entscheidungen auch direkt von der landesherrlichen Kanzlei und den Rittergutsherrschaften getroffen. Dazu gehörten die Niederschlagung von Verfahren, Verhängung einer Geldstrafe, die Landesverweisung ohne Urteil und die Amtsentsetzung von Pfarrern. Den 22 angeklagten Kindern wurde bei einem Schuldspruch in der Regel die Züchtigung und dann folgend die Belehrung durch den Pfarrer zuerkannt.

Hexerei- und Zaubereischuldzuweisungen wurden auch in Kursachsen in den meisten Fällen sozial instrumentalisiert. Als auslösende Faktoren kamen Unwetter und deren Folgen zur Wirkung, Kranke als Zielpersonen von Schuldzuweisungen und Sozialverhalten im Nachbarschaftsstreit und innerhalb von Familien. Heilkundige Personen und Drogengebrauch konnten ebenso in Verdacht kommen wie vagierende Personen. Einige waren auch aufgrund ausgeübter magischer Praktiken in Verdacht gekommen. Der Frauenanteil bei den Anklagen betrug in Kursachsen 73%, von denen wiederum der übergroße Teil noch verheiratet aber nicht mehr im gebärfähigen Alter war. Der Verheiratete mit guten Sozialstatus entging in einem Hexenprozess eher einer Bestrafung und konnte mit einem Freispruch oder einer Verfahrenseinstellung rechnen, dagegen war eine Witwe auf niederem sozialem Niveau häufiger von einem Todesurteil betroffen.

Dort wo sich die soziale Disposition ablesen ließ, konnte keine signifikant höhere Zahl aus dem besitzlosen Anteil der Bevölkerung festgestellt werden. Betroffen waren Personen aus allen Schichten der Bevölkerung, von der Bettlerin, über den Bauer, den Bürger und sogar Personen des Adels. Das gilt auch im Verhältnis zur statistischen Größe der jeweiligen sozialen Gruppe zur Gesamtbevölkerung. Zauberei- und Hexereivorwürfe wurden in Kursachsen von Seiten der Landesherrschaft und der Kirche auch in nachreformatorischer Zeit nicht für die Durchsetzung der neuen Glaubenslehre oder gegen Minderheiten instrumentalisiert. Den wenigen von einer Verdächtigung betroffenen Katholiken, Juden und slawischen Sorben machte man nicht ihren Glauben oder ethnische Zugehörigkeit zum Vorwurf.
Quelle: http://www.historicum.net/themen/he...ursachsen_He/html/artikel/1639/ca/43b3daf269/

Dresdner
 
Leider werden auch heute immer noch Menschen als Hexer oder Hexen verfolgt, besonders schlimm ist es natürlich, wenn es Kinder sind und wenn diese sogar mit dem Tod dafür bezahlen müssen, nur weil sie für andere das Böse/Übel personisieren.

Frank Gardner hat zu den "Africa's Witch Children" dokumentiert, siehe auch diesen Bericht.

Berit
 
Die von Berit angesprochene und ziemlich aufwühlende Dokumentation ist von Channel 4 auf Grund von "Region restriction" zumindest in Österreich derzeit nicht sichtbar.

Die Spiegelung des ganz aktuellen Films gesendet am 23. November 2009 von Channel 4 "Return to Africa's Witch Children" auf Youtube ist derzeit in 5 Teilen zugänglich:











Die Hintergrundinformationen bzw die Erklärungen zum Film sowie Ansprechpartner der helfenden Organisationen finden sich aber bei der von Berit angegebenen Chanel-4-Webseite. (ein Nachteil von solchen Spiegelungen, da die wichtigen Infos fehlen).

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Liebe Berit," Afrikas Hexen " ist wirklich unglaublich (in der heutigen Zeit). Da
tut Aufklärung not. Las auch soeben über die "weißen Schwarzen (Albinos)",
wie diese Menschen für magische Rituale mißbraucht, verfolgt und getötet
werden. Einfach schrecklich! - Immer wieder finde ich etwas über Hexerei
in meiner Heimatregion (war doch früher auch kein Thema, höchstens als
Märchenstoff). In der neuen Zs. "Westfälische Heimatpflege" (kann auch unter
Westfälischer Heimatbund im internet gefunden werden): Hexen im Sauerland:
"Hexenverfolgung im kurkölnischen Sauerland"
- unter diesem Thema stand die Herbsttagung der Fachstelle Geschichte
in Schmallenberg-Bad Fredeburg. Fachstellenleiter Dr. Peter Kracht begrüßte die
Teilnehmer zunächst an der sog. Hexenkapelle, die erst jüngst restauriert worden ist.
 
(Forts.)
Danach ging es ins Amtsgerichtsmuseum, wo Franz Mickus das Tagungsthema
am Beispiel Winterbergs (diesen Ort kennen vielleicht einige hier als Wintersport-
ort: Bobbahn u.a.) exemplarisch darstellte. Hartmut Hegeler befaßte sich in einem zweiten Vortrag mit "Hexenprozessen und Widerstand". Dabei skizzierte
er insbesondere das Wirken von Anton Praetorius , der öffentl. gegen Folter und Hexenprozesse eintrat. 1597 gelang es ihm, eine (!) als Hexe angeklagte Frau aus der Folter zu befreien. Zum Abschluß der Tagung präsentierte Heinr. Aufmhoff, Leiter des Amtsgerichtsmuseums, schließl. noch das Museum, das in
NRW einzigartig ist und eindrucksvoll die Geschichte der Justiz dokumentiert.
-Dies nochmal zum Thema "Hexenprozesse". Viele Grüße von Ulrike
 
1944 war ein Hexenprozess in England ("witchcraft" - habe ich vorher noch nicht
gekannt), Helen Duncan erschien während einer spiritistischen Sitzung ein
toter Matrose. Der Untergang seines Kriegsschiffes war von der Regierung
bis da geheim gehalten worden. Die Mutter des jungen Mannes hatte Helen
um Hilfe gebeten, ihren verschollenen Sohn zu suchen. So kam ein
Kriegsgeheimnis heraus! Wahrheit oder Legende? Jedenfalls wurde Helen
angeklagt und kam mit einigen Monaten Gefängnis davon (immerhin).-
In einer Kochshow war vor Kurzem auch ein "Medium" (Hexe?), diese Frau hat
der Polizei den Ort sagen können, an dem eine vermißte Frau versteckt lag.
Diese soll ihr erschienen sein u. gesagt haben: Sucht nicht länger, ich liege
dort,u. den Fundort beschrieben. Erst hätte man die Geschichte nicht
geglaubt, alles hätte sich aber als richtig bewiesen. Eigentlich glaube ich
dergleichen auch nicht, aber ... -Ulrike ???
 
Danke für den Doku Tipp! Der kommt mir sehr gelegen, da ich mich gerade sehr intensiv mit dem Thema auseinandersetzte.
 
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