Vielen Dank für Deinen interessanten Beitrag!
Ich hatte in der Volksschule in Oberösterreich 4 Jahre lang das Fach "Heimatkunde", das ich zugegebenermaßen wirklich geliebt habe und das wie schon oben geschrieben, einer der Auslöser für meine spätere Studienwahl der Europäischen Ethnologie/Volkskunde war.
Bei mir war das ungefähr um 1970, wo die damaligen Volksschulen in der Provinz in Österreich allerdings wirklich an einem äußerst schwierigen Punkt waren und kurz darauf zu Recht gravierend reformiert wurden.
Leider ist bei dieser Reform das Fach Heimatkunde aufgelöst worden und durch den sog. "Sachunterricht" ersetzt worden. Ich weiß daher im Augenblick nicht, was heute in diesem Fach unterrichtet wird, werde es aber in Bälde erfahren...
Jedenfalls waren um 1970 die Volksschulen am Land in einem schwierigen Zustand, vieles war noch ideologisch ziemlich vom Nationalsozialismus geprägt...
Es gab damals einen enormen Kampf der jungen Lehrer gegen die Offiziere aus dem Krieg, das haben wir sogar als Kinder recht deutlich mitbekommen (zB jene jungen Lehrer die sich gegen die prügelnden Ex-Offiziere durchsetzen mussten). Ein Lehrer hat uns etwa in der 3. Klasse Volksschule im Heimatkunde-Unterricht monatelang von seinen Kämpfen in Russland erzählt. Ich fand das (als Kind) eigentlich recht spannend, bis dann irgendwann der Elternverein eingeschritten ist und diesen pensionsnahen Lehrer auf den Lehrplan erinnert hat.
Zudem war um 1970 der Kalte Krieg auf seinem Höhepunkt und die ständige Bedrohung der "Russen", also der Nähe zum "Eisernen Vorhang", sowie der Rückzug in die Alpenfestung ("Spannocchi-Doktrin") war für uns Kinder in dieser Region durchaus eine gewisse Belastung und natürlich leider ständig im Heimatkunde-Unterricht präsent.
Der 2. Weltkrieg selbst war um 1970 ansonsten im Heimatkunde-Unterricht kein Thema mehr, lediglich die unübersehbaren Tunnel des KZ in Ebensee dürften kurz ein Thema gewesen sein. Evt auch ganz knapp etwas zum KZ Zipf, da ich mich erinnere, dass meine Schulkollegen öfters beim Flaschenpfandsammeln etwas dazu sagten. Und natürlich erzählten einige Schulkollegen von der Flucht ihrer Eltern aus Siebenbürgen.
Soweit meine persönlichen und subjektiv eher negativen Erinnerungen an den Heimatkunde-Unterricht.
Der überwiegende Teil meiner persönlichen Erinnerungen an den Heimatkunde-Unterricht ist durchaus positiv und ich erinnere mich sehr, sehr gerne daran!
Bemerkenswert war in diesem Schulfach, dass wir damals keine Schulbücher für Heimatkunde hatten, sondern dass wir die Bücher von den Lehrern (aus der Lehrerbibliothek) geliehen bekamen. Das war äußerst ungewöhnlich und wohl auch sehr erfreulich für meine Eltern, da die "Schulbuch-Aktion" (= Gratis Schulbücher) erst um diese Zeit eingeführt wurde.
Wir bekamen in den ersten beiden Schuljahren kleine, uralte Bücher, zum Teil noch in Fraktur gedruckt, geliehen. Da waren einfachste Texte enthalten, bisher konnten wir die Bücher leider noch nicht rekonstruieren.
In der 3. und 4. Klasse der Volksschule liehen uns die Lehrer äußerst informative Bücher hauptsächlich zum Land Oberösterreich. Diese hießen "Heimatkundliches Leseheft", hatten zwischen 80 und 100 Seiten und boten eigentlich auch nach heutiger Sicht einen guten Mix zur jeweiligen Region. Die Bücher enthielten sowohl historische Themen (unter Auslassung des 20. Jahrhunderts), Handwerk, Berufe, bis hin zu modernen Industrien.
Leider waren in Oberösterreich gewisse Schwerpunkte bei den Bauernkriegen und die ewigen Kriegstheorien und Kriegsstrategien der damaligen Ex-Offiziere aus dem Krieg gähnend langweilig.
Und da kann man wohl die Kritik an der Heimatkunde um 1970 ansetzen: die Inhalte wären wohl interessant dagewesen, aber es fehlte dem Fach Heimatkunde eine moderne Methode, auch waren die Ziele unklar.
Zusammenfassend würde ich sagen, dass der Heimatkunde-Unterricht um 1970 eigentlich ganz gute Ansätze zu heutiger Europäischer Ethnologie brachte, aber eben methodisch zu wenig bzw gar nicht untermauert war.
Im Anhang der Scan des Buches "Heimatkundliches Leseheft - Linz-Land", vom Bundesministerium für Unterricht am 9. Mai 1961 als Klassenlesestoff zum Unterrichtsgebrauch in der 3. und 4. Schulstufe (Volksschule) zugelassen. Herausgegeben von einer Arbeitsgemeinschaft. Illustrationen von Hans Babuder.
Dazu der Scan des Inhaltsverzeichnisses.
(Bei Interesse von Lesern aus Oberösterreich bringe ich auch gerne alle Ausgaben von Oberösterreich).
Wolfgang (
SAGEN.at)