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Elfie hat in der SAGEN.at-Fotogalerie eine gewaltige Sammlung an Glockentürmen und Glockenhäuseln angelegt. Elfie's eigene Forschungen sind ein gewaltiges Werk, da sie ohne Vorbild auf eigenen Fahrten und Nachforschungen diese Sammlung angelegt hat. Es ist dies ein sehr großer Verdienst von ihr für die Volkskunde in Österreich.

Es gibt in der volkskundlichen Literatur einen einzigen Fachartikel zu den Glockentürmen im Waldviertel, der nebenbei auch interessante Hintergrundinformationen zum Glockenbrauchtum in Niederösterreich berichtet. Diesen Artikel möchte ich im Folgenden zitieren, da er sehr gute Informationen zu den aktuellen Arbeiten von Elfie bringt. Es ist jedoch zu beachten, dass der Text schon vor über 30 Jahren erschienen ist, manches mag sich geändert haben:

Elfriede Gaal-Cahak, Glockenstuhl und Glockenhäusl im Waldviertel, in: Volkskunst. Zeitschrift für volkstümliche Sachkultur, 3, August 1983, S. 166 - 172.

Elfriede Gaal-Cahak
Glockenstuhl und Glockenhäusl im Waldviertel


Die bisher vorwiegend im nördlichen Waldviertel/NÖ. aufgenommenen Glockenstühle musste ich im eigentlichen Sinne des Wortes „erfahren“, denn diesen primitiven Bauwerken wird im Lande wenig Beachtung geschenkt. Zwei „Glockenhäusln“ gibt es, die zu Sehenswürdigkeiten für den spärlichen Fremdenverkehr gemacht wurden. Eines davon (Wiesmaden) ist in einem regionalen Reiseprospekt abgebildet, aber gerade dieses ist nach einem Blitzschlag1 mit nicht originaler waagrechter Schalung versehen worden, das andere (Klein-Eberharts) wurde nach der Renovierung mit einem breiten zweiflügeligen Tor für die im Innern installierte Brückenwaage ausgestattet; es ist eine Station in einem Materl-Wanderweg. Und die meisten anderen noch ursprünglichen Holz- oder Ziegeltürme sind über kurz oder lang dem Verfall geweiht, wenn sie nicht bald als Kulturdenkmäler entdeckt und erhalten werden, und zwar an ihrem ihrer Bestimmung gemäßen und das Ortsbild prägenden Standplatz.


Abb_1_Glockenturm_Wollmersdorf.jpg
1 Glockenstuhl von Wollmersdorf mit barocker Nepomukstatue

Abb_2_Glockenstuhl_Markl.jpg
2 Glockenstuhl von Markl mit Kruzifix auf Holztafel

Grundsätzlich soll festgehalten werden, dass die Glocke als solche ihre Funktion hat, ob sie nun an einem Ast oder in einem Glockenstuhl ohne oder mit hölzerner, steinerner oder sonstiger Ummantelung hängt.

Ihrer ältesten Bedeutung als Lärminstrument, dessen Schall böse Geister abhalten sollte, wurde sie bis in die jüngste Vergangenheit gerecht als Mittel gegen Unwetter jeglicher Art, die Mensch, Vieh und Feldfrucht bedrohten. Dämonenabwehrende und schadenabwendende Kraft hatte jedoch nur eine geweihte Glocke. „Unter Georg Resch (Pfarrer von Arbesbach) brannte die Kirche ab. Die Kirchenpröbste baten die Landstände um 50 Gulden zum Aufbaue... Ein Hagel, der 1729 die Hoffnung des Landmanns niederschlug, brachte die Arbesbacher auf den Gedanken, die Schuld liege im Klange der noch ungeweihten Glocken. Ärgerliche dadurch veranlasste Auftritte bewogen diesen Pfarrer, den Abt Melchior zu Zwettl um die verlangte Weihe zu ersuchen, der sie bereitwillig den 26. September vollzog.“2 (Diese Geschichte veröffentlichte Franz Kießling 1928 in seiner Sammlung „Frau Saga im n.-ö. Waldviertel“ in etwas veränderter Form nach der mündlichen Überlieferung unter dem Titel „Die Wetterglocke von Arbesbach“.) Zu dieser Zeit war das Wetterläuten längst zu einer gut katholischen Angelegenheit geworden, wie aus einem Bericht des Pfarrers von Theras vom 26. Juli 1600 hervorgeht: „...die Gemein schickte vier Männer in den Pfarrhof, die mir vorwarfen, dass ich es nicht mit der Gemeinde halte und ihr den Schulmeister nicht lassen wolle, der doch nach katholischem Brauche zum Wetterläuten nothwendig sei..“3 Manche Glocken hatten einen besonders guten Ruf als Wetterglocken, so die von Oberndorf bei Weikertschlag4 (heute ein gemauerter neuromanischer Glockenturm).
Das Wetterläuten war, wenn es auch von Kaiser Josef II.


Abb_3_Glockenstuhl_Sauggern.jpg
3 Glockenstuhl von Sauggern

Abb_4_Josefsthal.jpg
4 Glockenstuhl von Josefsthal in kapellenartigem Ständerbau

per Hofdekret von 1783 und Kurrende von 1786 strengstens untersagt worden war5, eine der wichtigsten Obliegenheiten sowohl der Läuter der Glockenstühle und Betkapellen als auch der Schulmeister, die die Kirchenglocken betreuten und dafür auf gesonderte Entlohnung in Naturalien Anspruch hatten. 1750 erwarb die Gemeinde Kühbach eine Glocke „wegen der vielfachen Schauerwetter“ und hängte sie in den am Lindenberg neu erbauten Turm. Wenn sie auch jetzt selbst Wetterläuten wollte, so sollte doch der Schulmeister der Pfarre Döllersheim keine Einbuße an seiner Wetterläutgebühr erleiden6. Zwischen dem Bezirksschulrat in Krems und der Pfarre Emmersdorf gab es zu Beginn der neuen Schulära 1873 Differenzen bei der Ermittlung der Lehrergehälter nebst Wetterläutgebühren, die mit einem Ausgleich - der Trennung zwischen Schul- und Mesnerdienst - endeten7.

Eine andere für das Dorf wichtige Einrichtung war das Feuerläuten; auch dieses gibt es kaum mehr, da die Gerätehäuser der Feuerwehren mit Sirenen versehen worden sind. Aus dem 16. Jahrhundert besagt eine Bestimmung zur Verhütung von Bränden, dass es verboten sei, nach dem Aveläuten mit offenem Licht auf die Gasse zu gehen. „Wenn Feuer ausbrach, musste der Betroffene, ehe er mit dem Austragen begann, das ‚Feuer ausschreien‘ mit dem Ruf: ‚Auf, auf, es brinnt!‘ Auch mit der Glocke gab man ein Zeichen, dass alle von Dorf und Feld zur Hilfeleistung zuliefen.“8 Eine letzte Erinnerung an eine Feuerwache könnte der Brauch gewesen sein, von dem die Läuterin von Alt-Waidhofen erzählt: Auf einer Anhöhe in der Nähe des Glockenhäusls stand eine Holzhütte, die bis nach dem Zweiten Weltkrieg als „Wachterhäusl“, auch „Bühhäusl“ genannt, diente. Es gehörte zu den Pflichten des Läuters, dort von 21 bis 24 Uhr zu sitzen und stündlich ins „Bühhörndl“ zu stoßen. Der ursprüngliche Zweck dieses Blasens ist ihr nicht mehr bekannt.


Abb_5_Alt_Waidhofen.jpg
5 Alt-Waidhofen, verschalter Glockenstuhl

Abb_6_Glockenhaus_Neu_Thaures.jpg
6 Glockenhaus von Neu-Thaures mit Glockenwagner-Hof

Alltäglich ist das „Betläuten“ früh, mittags und abends. Wer war und wer ist heute der Glockenläuter - sofern es noch einen gibt, und die Glocke nicht schon elektrisch angeschlagen wird oder überhaupt verstummt ist, weil sich niemand mehr zum Läuten verpflichten will? In Neu-Thaures steht neben dem Glockenhaus der „Glockenwagner-Hof“. Er gehörte einst einem Wagner, dessen Witwe noch bis vor zwölf Jahren das Läuten besorgte. Dann wurde er an jüngere Leute verkauft, die man darauf aufmerksam


Abb_7_Neu_Thaures_Turm_innen.jpg
7 Neu-Thaures, Turm innen

Abb_8_Liebenberg.jpg
8 Liebenberg, Feuerwehrhaus mit Kombination von Schlauchturm und Glockenstuhl

machte, dass auf diesem Hof das „Läutrecht“ liege und sie für das Läuten im Jahr öS 200,- bekämen. Sie verzichteten darauf, weil sie nicht ständig dort leben, und so übernahm dieses Amt eine alte Frau, deren Tochter es heute noch ausübt. Eine weitere Auskunft besagt, dass die Bauern eines Hofes in Arnolz bereits in der dritten Generation läuten, derzeit die Ausnehmerin. Doch das war nicht die Regel, früher läuteten alte Frauen oder Männer, die in einem „Häusl“ oder im „Gemeindehäusl“ wohnten. Es waren besitzlose Dorfbewohner, für die das Läut-Deputat eine willkommene Zubuße bedeutete. Der Läuter zog im Herbst oder Winter („Zahltag ist Michaeli“, 29.9.; „zu Leopoldi, dann ist das Jahr aus“, 15.11.; „vor Weihnachten“) von Haus zu Haus und sammelte „Läutwoaz“ und Holz (Wollmersdorf), 10 kg Korn und 20 kg Erdäpfel (Alt-Waidhofen), „Läuttroad“ (= Roggen; Sauggern) oder Getreide. Holz und Stroh (Arnolz) ein. Bewohner des Gemeindehäusls „mussten keinen Zins zahlen“, denn „früher war da ja nicht so Geld“ (Wollmersdorf, Reitzenschlag) oder sie hatten das Nutzungsrecht einer Gemeindewiese (Wielings).

Diese Männer und Frauen versahen ihr Amt bis zu ihrem Tode, eine Glöcknerin in Alt-Waidhofen starb mit 90 Jahren. Soweit sie Nachfolger fanden, sind das meist die Besitzer des dem Glockenturm am nächsten gelegenen Hofes, die an Naturalien nicht mehr interessiert waren, um so weniger, als die Landwirtschaft betreibende Bevölkerung schnell abnahm. So wurden früher oder später die Deputate in einen Geldbetrag umgelegt, der entweder von jedem Haushalt direkt an den Läuter bezahlt wird oder als Pauschale von der Gemeinde. Letzteres hat Vorteile, denn „das Eintreiben geht sehr schleppend, ich möchte lieber von der Gemeinde das Geld“ (Alt-Waidhofen), oder „seit die Gemeinde zahlt, sind wir nicht mehr so dem Einzelnen verpflichtet, wenn wir keine Zeit haben, läuten wir eben nicht“ (Sauggern). In Markl wird abgewechselt, „jede Woche läutet ein anderes Haus, weil wenn einer stirbt, will er ja, dass auch für ihn geläutet wird; so nehmen wir das Opfer auf uns“.

Wo jetzt Bauern läuten, richtet sich das Betläuten nach der Landwirtschaft. In der Früh läutet der Mann, während die Frau das Frühstück richtet, im Sommer auch schon um 5.30 Uhr. Das Mittagläuten besorgt die Frau, sie ist ja wegen des Kochens im Haus. Am Abend, sommers um 19 oder 20 Uhr, winters um 18 oder 19 Uhr, läutet wer Zeit hat. Man läutet in drei „Gsatzln“, während man zwei Vaterunser und den Englischen Gruß betet. Frau Mölzer, die seit 1946 in Alt-Waidhofen Läuterin ist, läutet auch an jedem Freitag, außer von Ostern bis Christi Himmelfahrt, um 15 Uhr. Während des Krieges wurde nicht geläutet.

Mit dem „Ausläuten“ spielt die Glocke auch im Lebensbrauchtum eine Rolle. Hören wir wieder Frau Mölzer: Wenn ihr ein Todesfall mitgeteilt wird, legt sie nach dem nächsten regulären Läuten eine Pause von einer Stunde ein, damit die Leute auf das folgende halbstündige „Extraläuten“ aufmerksam werden. An den nächsten drei Tagen wird gleich anschließend an das Betläuten ausgeläutet. In Neuniederschrems macht man einen Unterschied zwischen dem Totenläuten und dem Ausläuten. Dieses war das Läuten, das den Trauerzug auf seinem Weg zum Friedhof in Hoheneich vom Sterbehaus bis zur Ortsgrenze begleitete. Seit mehreren Jahren gibt es dort statt des hölzernen Glöckenstuhls einen gemauerten Turm mit angebautem Breitbildstock, auf den die alte Bezeichnung „Glockenstuhl“ übertragen worden ist. Das Läutwerk ist elektrisch, bei einem Todesfall schaltet es der Ortsvorsteher aus und läutet einmal mit dem Glockenstrang; es gibt kein Ausläuten mehr, da es auch keine Hausaufbahrung mehr gibt.

Ergänzend zum Läuten sollte vielleicht noch erwähnt werden, dass es regional noch das „Huss-Läuten“ (Hussitenkrieg), das „Eilfi-Läuten“ aus dem Schwedenkrieg und ein Sturmläuten gegen die Franzosen gab, ja sogar gegen einbrechende Heuschreckenschwärme setzte man es 1749 erfolgreich ein9; um 11 Uhr rief es die Bauern vom Feld zum Mittagessen ins Haus.

Glockenstuhl und Glockenhaus wurden stets von der Gemeinde errichtet, sie waren ihr Eigentum und mussten von ihr erhalten werden10. Sie dienten rein dörflichen Zwecken, und von ihrer Bauart her konnten sie kein besonderes Interesse erregen; dementsprechend werden sie nur ausnahmsweise in Topographien und Visitationsberichten erwähnt. Sie waren ganz aus Holz gebaut, mussten daher immer wieder erneuert werden, so wie die bestehenden in den letzten Jahren auch. Die meisten sind aber bereits abgekommen und an ihrer Stelle erheben sich mitunter gemauerte Glockentürme, meist aber Betkapellen, die manchmal mit einer Messlizenz versehen wurden. Als Beispiel diene Mühlfeld: „Mitten im Dorfe steht ein thurmähnliches Gerüste mit einer Glocke“11. „Die geräumige, schön gebaute Betkapelle ‚zur unbefleckten Empfängnis Maria‘ hat einen schlanken, mit Blech gedeckten Turm mit zwei Glocken; sie liegt mitten im Dorfe knapp an der Straße“12. Oder: „In Wolfsbach bei Drosendorf verschwand der Glockenstuhl schon 1746“13. „Capelle mit Meßlicenz“14.

Über die älteste Art der Glockenaufhängung berichtet Kießling: „Karlstein. In diesem ... Markte befand sich, bis zum Jahre 1899, auf dem Platze eine Linde, in deren Geäst ein Holzbalken befestigt war, woran die Gebetsglocke hing. Erst in dem genannten Jahre wurde an Stelle des sinnigen und stimmungsvollen ‚Glockenbaumes‘ eine Bet-Kapelle erbaut. Es ist bemerkenswert, dass in einem Orte, der ungefähr 1200 Einwohner zählt, sich so lange eine noch an die ältesten Zeiten des Christentums im Waldviertel gemahnende Einrichtung, wie sie der ureinfache ‚Glockenstuhl‘ vorstellt, erhalten konnte.“15 Karlstein bekam eine neubarocke Jubiläums-Filialkirche mit Meßlizenz16. Die Grundsteinlegung war 1898, dem 50-Jahr-Regierungsjubiläum des Kaisers Franz Josef I.

Die noch zu findende einfachste Form ist der unverkleidete Glockenstuhl aus Holz. Kießling spricht von Orten, wo er unter der Dorflinde stand; mitunter soll sich unter-halb der Glocke ein altes Heiligenbild befunden haben, das von einigen Betstühlen oder Sitzbänken umgeben war. U.a. führt er Wollmersdorf an, wo es wohl noch Bäume und einen steinernen Nepomuk gibt, nicht aber mehr Sitzbänke (Abb. 1); in Markl (Abb. 2) ist unterhalb der Glocke eine Holztafel mit einem Kruzifix befestigt.

In Josefsthal am Rottaler Forst wurde dieser Glockenstuhl mit einem Holzbau umgeben, der ihm das Aussehen einer kleinen Kapelle verleiht, im Innern aber kaum Raum für das Läuten bietet (Abb. 4).

Das Glockenhäusl mit seinen sich nach oben zu verjüngenden Wänden entsteht durch das Anbringen einer Schalung an den Ständern des Glockenstuhls. Knapp unterhalb des Daches sind vier Schallfenster (Alt-Waidhofen, Abb. 5; Arnolz, Drösiedl bei Pfaffenschlag, Eisenreichs). Ein Glockenhaus schützt nicht nur den Läuter vor Regen und Schnee, es bietet auch Raum für Ausschmückungen, etwa an die Wand genagelte Öldrucke, meist Maria darstellend. Es gibt innen auch manchmal eine schräge Leiter, die zur Glocke führt. Besonders geräumig ist das Glockenhäusl von 1893 in Wiesmaden, das in der Literatur als „hölzerne Betkapelle mit Glocke“ aufscheint17. Es sind ein paar in die Erde geschlagene rohe Bänke ohne Lehne darin. Die Glöcknerin erinnert sich noch an die Zeit vor zehn, fünfzehn Jahren, als innen alles voll von Bildern war, auch Kerzenleuchter gab es. An den Bittagen wurde hier mit dem Vorbeter gebetet, im Mai Sonntags- und Maiandachten gehalten. Außen an der Tür hing dann ein Blumenkranz, innen waren die Wände rundum mit Blumen geschmückt. Zu Christi Himmelfahrt begann hier die kleine „Wallfahrt“ nach Eberweis.

Eine andere Bauart zeigt das Glockenhaus von Neu-Thaures (Abb. 6, 7). Auf das Läuthaus, einen quadratischen Ständerbau mit geraden Wänden, ist ein kräftiger, hoher Turm aufgesetzt.

Wie die bereits entfernten Glockenstühle ausgesehen haben, lässt sich fallweise nach den bestehenden rekonstruieren.

Abb_9_Schlagles_Glockenturm.jpg
9 Schlagles, Glockenturm in Ziegelbauweise

Abb_10_Schlauchturm_Eggendorf_am_Wagram.jpg
10 Schlauchturm in Eggendorf am Wagram

Die Angaben lauten von dem beiläufigen „die Glocke wurde aufgerichtet“ über Station mit Glöckchen, Holzgestell, turmähnliches hölzernes Gerüst, hölzernes Türmchen und Glockenturm bis Glockenhaus, das in größerer Ausführung augenscheinlich zur hölzernen Betkapelle wurde.

Ein Anlass zur Errichtung eines Glockenstuhls sei hier angeführt: „1735 schenkte Franz Sigmund Graf von Herberstein dem Dorfe Stölzles eine kleine Glocke, die bei einer alten Statue im Dorfe aufgerichtet wurde und bei welcher man mit Bewilligung des Pfarrers von Weissenalbern den Rosenkranz betete.“18

Eine Übergangslösung fand sich einst in Kleingöpfritz, das 1720 in der Martersäule ein „Glöckl“ aufhängen durfte; 1783 wurde eine Kapelle erbaut19.

Das Aufhängen der Glocke im Schlauchturm des Feuerwehrhauses stellt wohl eine kostensparende Art dar. In Wielings ist an das Spritzenhaus eine kleine Wohnung angebaut, das „Gemeindehäusl“ geheißen, in der noch die alte Läuterin wohnt: aber auch hier wird die Glocke in dem mit einem Kreuz versehenen Türmchen schon elektrisch angeschlagen. Ein schönes Beispiel einer Kombination von Feuerwehrhaus und Glocke findet man in Liebenberg. Der mit dem offenen Glockenstuhl bekrönte hölzerne Schlauchturm ist zum Teil nach außen versetzt, so dass von außen geläutet werden kann (Abb. 8).

Die bis etwa zur Jahrhundertwende errichteten schlanken, hohen Ziegelbau-Glockentürme wirken wie ein zum Himmel weisender Finger, besonders wenn sie genau in der Dorfmitte stehen wie in Wetzles, Schlagles (Abb. 9) oder Unterpertholz oder auf der Anhöhe über den Häusern wie in Oberndorf, wo die berühmte Wetterglocke war. In Schlagles fand sich für diesen wirklichen Mittelpunkt für jede Außenwand eine andere „Dekoration“: Postkasten, Anschlagtafel, Steckschild der Busstation und Milchkannenbrücke; im Innern nisten Vögel.

In der Bauweise von Glockenstuhl und Glockenhaus dürfte sich, soweit Holz verwendet wurde, kaum viel geändert haben. Der Glockenstuhl von 1909 in Haidhäuser20 wird wenig anders gewesen sein als die alten. Erst durch Verwendung moderner Materialien ändert sich das Bild, aber fast nie die Konstruktion (Glockenstuhl aus Doppel-T-Eisen in Trübensee). Baujahre lassen sich nur anhand schriftlicher Angaben feststellen, nie jedoch nach den Glocken. Glocken haben ihre eigene Geschichte.

Im Jahre 1916 wurde die Ablieferung der Glocken angeordnet, nur zwei Drittel des in den Pfarren vorhandenen Glockengewichts und historisch wertvolle Glocken blieben verschont, nicht aber die der Dorfkapellen (und Glockenstühle). Im Januar 1917 wurden sie abgenommen. Am Vorabend hatten sie noch einmal zum Abschied geläutet. Die Militär-Bauabteilung zahlte für 1 kg 4 Kronen in Scheinen der 6. Kriegsanleihe. Nach Kriegsende wurden nach und nach wieder neue Glocken angeschafft, die Glockenspeise war aber teuer geworden; sie kostete Ende Januar 1921 bis 1500 Kronen, im März 1922 bereits 6900 Kronen. So wurden viele Dorfkapellen mit den billigeren Stahlglocken versehen21. Auch in Wollmersdorf war requiriert worden, man hängte vorläufig einen eisernen Häfen auf. Der Bauer Johann Androsch musste einrücken und versprach, nach glücklicher Heimkehr eine Glocke zu stiften. Diese stählerne Glocke wird heute noch geläutet.

Durch die Antwort auf die Frage, ob da eine alte oder eine neue Glocke hänge, weiß man, ob nach dem Ersten Weltkrieg eine Bronzeglocke angeschafft worden war, die der Requirierung im Zweiten Weltkrieg bestimmt nicht entgehen konnte, oder eine eiserne. So bekam Kollmitzgraben seine neue Glocke um 1947, Neu-Thaures erst 1953, Alt-Waidhofen behielt seine eiserne von 1924.

Für die im vorigen Jahrhundert entstandene Rodungssiedlung Neuniederschrems läßt sich das Geschick von Glocke und Stuhl fast lückenlos darstellen. Diese „Waldcolonie“ hatte 1873 zwanzig Häuser und ein „Holzgestelle mit Glocke“. „Zuerst erwarb man von der Fabrik des Isnenghi ein Glöckchen, 1881 kaufte man jedoch von der Kirche in Gmünd die jetzige Glocke an. Sie stammt aus dem Schlosse Gmünd, dessen Inhaber sie nach dem Brande des Gmündner Kirchenthurmes 1852 der Pfarrkirche schenkte. Nachdem diese wieder ein Geläut bekommen hatte, wurde sie hierher verkauft.“22 Im Ersten Weltkrieg ereilte sie ihr Schicksal. 1926 spendete Frau Klara Burger eine Stahlglocke, für die ein neuer Stuhl (wie der von Sauggern, Abb. 3) aufgestellt wurde. Ab 1940 etwa gab es kein Läuten mehr, der Glockenstuhl wurde abgetragen. Um 1946 baute man für die alte Glocke wieder einen Stuhl; dieser bekam einen größeren Grundriss (der untere Teil wurde als Läuthäusl verschalt) und ein Zeltdach. 1961 war auch dieses Glockenhaus wieder vermorscht. Man sammelte von jedem Haus ein paar hundert Schilling ein, den Rest legte die Großgemeinde Schrems darauf, und es wurde der schon erwähnte Glockenturm errichtet, in den nun die Glocke von 1926 übersiedelte. Als die alte Läuterin, eine Häuslerin, gestorben war, blieb die Glocke bis zu ihrer Elektrifizierung zwei Jahre lang still.

Es gibt noch einen Holzbau, den man seiner Konstruktion wegen auf den ersten Blick für ein Glockenhäusl halten könnte. Es ist der freistehende Schlauchturm, auch Schlauchkammer genannt; er gehört zu den Gerätegebäuden der dörflichen Feuerwehr. Er soll vorschriftsmäßig elf Meter hoch sein, damit auch der 20-m-Schlauch ausrinnen kann. Im Innern ist eine Stiege, die zu einem Querbalken führt, über den der nasse Schlauch zum Trocknen gehängt wird (in manchen Türmen wird er aufgezogen). Seit die Feuerwehr keine Hanfschläuche mehr benützt - das moderne Schlauchmaterial muss nicht mehr getrocknet werden - verschwinden auch diese Schlauchtürme zusehends. Einige gibt es noch, so den 20 Jahre alten in Echsenbach oder die archaisch aussehenden in Stetteldorf und Eggendorf am Wagram (Abb. 10).

Man ist heute endlich soweit gekommen, sein Augenmerk nicht nur sakralen, aristokratischen oder großbürgerlichen Bauwerken zuzuwenden, sondern auch Ortsbildpflege zu betreiben. Dazu gehörte wohl auch, diese einfachen dörflichen Kulturdenkmäler zu erhalten, auch dann, wenn sie ihrer ursprünglichen Bestimmung vielleicht nicht mehr voll entsprechen.

Anmerkungen
1 Nicht besonders bezeichnete Angaben verdanke ich Ortsbewohnern, vor allem den Läuterinnen, einige Hinweise Herrn OSR F. Schadauer/Thaya.
2 Johann v. Fräst: Topographie des Erzherzogthums Oesterreich, 2. Abt., 3. Bd. (16. Bd.), Wien 1838, S. 283
3 Geschichtliche Beilagen zu den Consistorial-Currenden der Diöcese St. Pölten, 6. Bd., St. Pölten 1898, S. 67
4 Franz Kießling: Eine Wanderung im Poigreiche, Horn 1898, S. 206f.
5 Franz Iwolf: Hexenwesen und Aberglauben in Steiermark. In: ZdVfVK Nr. 7, Berlin 1897, S. 244f„ hier S. 250f.
6 Ernst-Werner Techow: Die alte Heimat, Berlin 1942, S. 193
7 Wie Anm. 3, 4. Bd. 1890, S. 43
8 Heinrich Rauscher: Geschichte des bäuerlichen Wirtschaftslebens. In: Das Waldviertel, 7. Bd. o.J., S. 127f.
9 Diverse Angaben
10 Wie Anm. 3, 4. Bd. 1890, S. 436
11 Fr. Schweickhardt: Darstellung des Erzherzogthums Oesterreich unter der Enns, 1. Bd., Wien 1839, S. 55
12 Topographie von Niederösterreich, Wien 1879/85
13 Wie Anm. 4
14 Wie Anm. 11, 4. Bd. 1840, S. 300
15 Franz Kießling: Altertümliche Kreuz- und Querzüge, Wien 1914, S. 265 f.
16 Alfons Zak: Bau- und Kunstdenkmäler. In: Waidhofner Heimatbuch, Waidhofen 1929, S. 251 ff., hier S. 288
17 Wie Anm. 3, 8. Bd. 1907
18 Wie Anm. 3, 7. Bd. 1903, S. 551
19 Ebda., S. 303
20 Wie Anm. 3, 8. Bd. 1907, S. 375
21 Rupert Hauer: Heimatkunde des Bezirkes Gmünd, Zwettl 1924, S. 189
22 Wie Anm. 3, 5. Bd. 1895, S. 541 f.


Wolfgang (SAGEN.at)
 
Danke!!

Leider ist zu den Glockentürmen sehr wenig Information zu finden.
Vom letzten in Kollnitz hab ich in einer Regionalzeitung von der Renovierung des "historischen" Glockenturms gelesen, leider fand ich im Netz auch für diesen keine weitere Beschreibung.
 
Jetzt sollte ein bisserl historische Hintergrundinformation allgemein zugänglich sein ;)

An dieser Stelle nochmals Danke für Deine konsequente Forschungsarbeit zum Thema "Glockenturm", die sicher in der Zukunft auch in der Literatur Deine Erwähnung finden wird! Bleib dran an diesem raren Thema!

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Nachdem das Daumenhalten jetzt vorbei ist ;), kann ich mich deinem sehr interessanten Artikel widmen.

In einem kann ich Frau Gaal-Cahak auch nach 30 Jahren noch recht geben: man muss sich diese Spezies "erfahren", denn z. B. in ein 149 Seelen-Dorf (Kollnitz) kommt man meist nur zufällig oder wie erwähnt durch einen Zeitungsbericht.

Jetzt gibt es aber vielleicht auch die Möglichkeit, nachzuschauen, wie es den beschriebenen nach 30 Jahren geht, falls die Dörfer zu finden sind ;).
 
Diese Glockentürme sind sehr interessant; ich habe noch nie etwas Ähnliches gesehen (ausgenommen einige einzelnstehende Glockentürme, die nach dem letzten Krieg gebaut wurden und in diesem Zusammenhang irrelevant sind). Da stellen sich mit etliche Fragen:

– Alle Beispiele stammen, soweit ich gesehen habe, aus Niederösterreich. Gibt es sie auch in anderen Teilen Österreichs?

– Die Bedeutung des Glockengeläuts, die in dem von Wolfgang zitierten Artikel erklärt wird, ist bekannt – aber wie kommt es, daß der Bau solcher Glockentürme nicht auch anderswo als Bedürfnis empfunden wurde? In sehr kleinen Dörfern bei uns gibt es immer ein Kapellchen, dessen kleiner Turm bzw. Dachreiter dann eben die Glocke aufnehmen muß.

– In dem zitierten Aufsatz ist auch vom Ausläuten (Totenläuten) die Rede; nicht erwähnt wird, ob es auch in Österreich üblich war/ist, das Geläut danach zu modifizieren, ob ein Mann, eine Frau oder ein Kind gestorben war. Mich würde das interessieren. In dem Dorf (südlich von Aachen), in dem ich viele Jahre gearbeitet habe, war das Ende der 80er Jahre noch üblich; wie es heute ist, weiß ich nicht.
 
Alle Beispiele stammen, soweit ich gesehen habe, aus Niederösterreich. Gibt es sie auch in anderen Teilen Österreichs?

– Die Bedeutung des Glockengeläuts, die in dem von Wolfgang zitierten Artikel erklärt wird, ist bekannt – aber wie kommt es, daß der Bau solcher Glockentürme nicht auch anderswo als Bedürfnis empfunden wurde? In sehr kleinen Dörfern bei uns gibt es immer ein Kapellchen, dessen kleiner Turm bzw. Dachreiter dann eben die Glocke aufnehmen muß.

Ich kann nur zu diesen beiden Fragen etwas sagen:

Hier handelt es sich um die Seite des "Bildungs- und Heimatwerk NÖ".

In kleinen Ortschaften gibt es auch hier kleine Kapellen, in noch kleineren Orten Glockentürme, oft über "Kapellen" (Breitpfeiler-Bildstock) gebaut.
 
Wäre da nicht SAGEN.at, ich wäre, wie schon viele, viele Male, blind an dieser Ortskapelle vorbei gefahren.



Ortskapelle von Altenberg, Bezirk Tulln. Der Bau stammt vom Architekten Max von Ferstel, einem wichtigen Vertreter des Historismus. Max war ein Sohn des ebenfalls bekannten Architekten Heinrich von Ferstel (z.B. Universität und Votivkirche in Wien).
 
Mir ist es wie harry ergangen, aber dank Elfies wirklich bemerkenswerter Forschungstätigkeit schaue ich jetzt auch auf diese Glockentürmchen :smi_klats:smi_klats
(Früher hab ich sie für Feuerwehrhäuschen gehalten ...)
 
Danke, aber bitte nicht übertreiben, sonst werde ich rot: dank SAGEN.at fällt mir eben jetzt auf, woran ich früher vorbeigefahren und -gegangen bin: Glockentürme, Sonnenuhren, Grenzsteine, Brunnen...

Und ich bin gerne auf der Suche ;).
 
Elfriede Gaal-Cahak beschreibt alle Holzglockentürme, vor allem die nicht eingeschalten, als Glockenstühle. Soll ich die Bezeichnung der letzten drei in der Bildgalerie auf Glockenstuhl ändern?
Es wären dann nur die gemauerten Türme? Wo hört das Glockenhäusl auf und fängt die Kapelle an?
 
Meines Erachtens heißt der Turm egal aus welchem Material er
gebaut ist Glockenturm.
Als Glockenstuhl bezeichnet man das Holzgerüst in welchem die
Glocke eingehängt ist.
 
Als Glockenstuhl bezeichnet man das Holzgerüst in welchem die Glocke eingehängt ist.

Danke, das war auch meine Meinung und so sind auch Kirchtürme beschrieben - in der Glockenstube.
Vielleicht wird in diesem speziellen Fall, wo es sich als Ganzes um ein Holzgestell handelt, eben alles Glockenstuhl genannt, das hab ich für möglich gehalten.
 
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