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Flohzirkus

Hermann Maurer

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Ich habe vor kurzem ein Faltblatt erworben, das den Titel "Die Floh - Zeitung Eine bissige Extraausgabe für die Besucher des Flohzirkus im Prater." trägt.
Abgedruckt sind das Programm des Flohzirkusses, dann zwei Seiten mit witzigen Bemerkungen zum Thema Floh und auf der letzten Seite die Öffnungszeiten. Als Besitzerin dieses Flohzirkusses zeichnet Maria Marson aus Wien II, Vorgartenstraße 182, Tür 15.
Wer weiß etwas zum Thema "Flohzirkus" und kann darüber berichten?

Faltblatt aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (aufgeschlagen 10,8 cm x 15,4 cm, aus stark holzhältigem gebräuntem Papier bestehend) in Sammlung Prof. Hermann Maurer, Horn.
 

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Persönlich kann ich nichts berichten - die Katze hat ein Flohband ;), aber ich hab dies hier gefunden:



Niedersachsens letzter Flohzirkus - www.original-flohzirkus.de - Flea Circus Report
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Hornarum,

obwohl der "Flohzirkus" vielen Menschen in unserem Kulturkreis irgendwie ein diffuser Begriff ist, wissen wir relativ wenig dazu.

Adolf Spamer schreibt im zweiten Band seines Werkes "Die Deutsche Volkskunde", 1935, S. 489:
"Über keine Seite des volkhaften Lebens sind wir mangelhafter unterrichtet als über Volksscherz, Volkswitz und die volkstümliche Satire. Das aufschlußreiche und umfängliche Kapitel, das diese in einer Volkskunde der Zukunft einnehmen werden, ist noch nicht geschrieben, wenn auch in den Abschnitten Volkssprache und Volkserzählung und in Einzelabhandlungen mancher Stoff dazu bereit liegt.
[...]
Schließlich gliedert sich in Abb. 3 einer im 17. und 18. Jahrhundert umfänglichen Reihe von Floh- und Läusebildchen ein, die auf literarische Vorlagen zurückgehen. Das Amphittheatrum Sappientiae des Casper Dornavius (Tom. I; 1619) überliefert uns 13 solcher humanistischer, scherzhafter Flohabhandlungen und 3 Läusesatiren, und 1638 erschienen zu Lyon die Dissertationum ludicrarum et amoenitarum varii, die u.a. des Calgagninus (+ 1576) Encomium pulicis enthielten. M. Hayn hat die gesamte "Flohliteratur (de pulicis) des In- und Auslandes vom 16. Jahrhundert bis zur Neuzeit" 1913 bibliographisch zusammengestellt. Sie beginnt auf deutschem Boden mit Fischarts umfänglicher Dichtung Flöh-Hatz, Weiber-Tratz, die von 1573 - 1610 in 7 Auflagen erschien und sich an den Gargantua des Rabelais sowie andere französiche Schriften, besonders aber an den 1520 erschienenen Procès des Femmes et des Pulces anschloß (einziges bekanntes Exemplar dieser Schrift in der Dresdner Landesbibliothek). In makkaronischen Versen erfolgten um 1590 eine Flochia, Gedichtum Versicale de Flochis...qui omnes fere Menschos, Mannos, Weibras, Jungfras, Kindros etc. behupfere spitzibus suis Schnablis stechere et beissere solent, Auctore Greisboldo Knick Knackio Flohlando und 1593 die Floïa, cortum versicale De Flois swartibus etc. Authore Gripholdo Knickknackio ex Flilandia. Noch Anfang des 18. Jahrhunderts kaufte man in Augsburg an stählernen Ketten gefesselte Flöhe als Wunder der Mikrotechnik, woraus sich der Flohzirkus entwickelt haben dürfte. Eine Dissertation über die Flöhe, die der (1729 +) Marburger Professor der Rechte Zaunschliffer pseudonym zu Druck gehen ließ, schrieb man 1823 Goethe zu, der sie 1768 Friederike Brion aus besonderem Anlaß gewidmet habe."

Bildanhang: Abb. 3, Scherzhaftes Geschenkbildchen des 18. Jahrhunderts. Miniatur auf Pergament.

Wolfgang (SAGEN.at)
 

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Grzimek-Tierleben von Bernhard Grzimek, Enzyklopädie des Tierreiches, Herausgegeben von Bernhard Grzimek, Zweiter Band: Insekten, Zürich: Kindler Verlag, 1969. Bd. 2, S. 431 ff. schreibt:

"In der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts machten "Flohzirkusse" mit angeblich "dressierten" Flöhen viel von sich reden. Diese Flöhe waren allerdings nicht etwa abgerichtet, sondern nur mit einem hauchdünnen Golddrähtchen um die Hinterbrust gefesselt und dadurch so in ihren Bewegungen behindert, daß sie nicht mehr springen, sondern nur kriechen konnten. So konnte man ihren Bewegungsdrang – vermutlich ihren Fluchttrieb bei hellem Licht – ausnutzen, um sie kleine Wagen ziehen und andere "Kunststücke" von ihnen ausführen zu lassen.

Der erste und wohl auch der bekannteste "Flohzirkusdirektor" war der Tscheche Raimund Otawa. Er führte seine kleinen "Künstler" in Gasthäusern und auf Jahrmärkten vor, bereiste aller Herren Länder und trat vor gekrönten Häuptern und Diktatoren auf. Im Laufe der Jahrzehnte baute Otawa sein Zirkusprogramm immer weiter aus: Ein Floh wird auf den Rücken gedreht und jongliert nun einen weißen Ball aus Hollundermark auf den Füßen. Auf "Befehl" schnellt er ihn weit in die Luft. In Wirklichkeit hört er natürlich nicht auf den Befehl, sondern der Meister neigt den Floh mit dem Ball in die Waagerechte; dadurch wird die Last leichter, und der kleine Bursche kann sie wegschnellen. Aus einer Dose nimmt der Zirkusdirektor mit einer Pinzette kleine, bunt angezogene Ballerinen aus Staniol heraus. Unter jedem Röckchen sitzt eine Flohfrau, und so hüpfen und wirbeln die Tänzerinnen durcheinander. (Für den "Zirkus" sind nämlich nur Flohweibchen geeignet, die kleineren Männchen sind zu schwach.)

Im Flohzirkus spannt man Flohweibchen vor winzige Fahrzeuge ...
Die Flöhe müssen mit Menschenblut ernährt werden, Hundeflöhe eignen sich nicht zur Schaustellung. "Meine Menschenflöhe lasse ich auf den Armen oder auf den Beinen saugen", erzählt Otawa, "für gewöhnlich einmal am Tag; wenn sie arbeiten, dürfen sie zweimal essen. Es dauert zwei Minuten bis eine Viertelstunde, dann ist der Floh vollgesogen." Juckreiz und Stichquaddeln bekam Otawa nur von Hundeflöhen. ... und läßt sie mit Bällen aus Hollundermark jonglieren.

Heute ist bei uns der Menschenfloh selten geworden, wahrscheinlich weil die Fußböden nicht mehr feucht aufgewischt, sondern mit Staubsauger und Mop bearbeitet werden. Das bekommt den Flohlarven schlecht. So ist heute die Zeit der Flohzirkusse vorbei."
Wolfgang (SAGEN.at)
 
Flohzirkus im Wiener Prater:
Maria Marson ist im Jahr 1973 verstorben. Den Flohzirkus gibt es nicht mehr.
Allerdings habe ich alle Utensilien und kann ihnen Auskunft darüber geben.
Mfg.
Rita Wedel
 
Der erste und wohl auch der bekannteste "Flohzirkusdirektor" war der Tscheche Raimund Otawa ...
... So ist heute die Zeit der Flohzirkusse vorbei."
Es gibt noch einen Flohzirkus. Dieses Foto habe ich vor zwei Jahren beim Volksfest in Memmingen gemacht. Und wie jedes ordentliche Unternehmen hat der Flohzirkus auch seine (Administrator: Link existiert nicht mehr). Aus der geht hervor, daß es sich immer noch um den von Otawa gegründeten Flohzirkus handelt.
 

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