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Schiffahrt.
Ernest Bazin - Ein Schiff auf Rollen.
(Mit Abbildungen, Fig. 218—220.)

Obwohl wir an dieser Stelle bereits öfters Mitteilungen über den von Ernest Bazin geschaffenen neuen Schiffstypus gebracht haben, halten wir es bei der Wichtigkeit der Sache doch für angezeigt, noch eine genauere Beschreibung des Schiffes und seiner originellen Konstruktion folgen zu lassen.

Das Rollenschiff, welches den Namen seines Erbauers „Ernest Bazin" trägt, ist am 19. August bei St. Denis glücklich vom Stapel gelaufen; das vielfach bespöttelte Projekt ist damit zur Tatsache geworden. Das Schiff besteht aus einer rechtwinkligen Plattform von ungefähr 86 m Länge und 12 m Breite, welche auf 6 hohlen, linsenförmigen Rollen ruht, von denen jede etwa 12 m Durchmesser und 3,60 m Dicke hat. Die Rollen sind auf festversteiftem Sparrenwerk befestigt, welches dem zerstörenden Wellenschlag Trotz bieten soll, und laufen nur zu einem Drittel im Wasser. Eine Maschine von 550 HP treibt die Schraube, die in geeigneter Ebene zwischen den Rollenpaaren sich dreht. Die Rollen stehen paarweise nebeneinander, jedes Paar wird von einer Maschine von 50 HP bewegt. Der Erfinder hofft, dass durch Anwendung dieses Rollensystems die Reibung des Wassers auf ein Minimum reduziert werden wird, weil der Widerstand, den das Wasser dem bisherigen Schiffskörper beim Durchschneiden entgegensetzt, wegfällt. Da der Antrieb nicht longitudinal, sondern vertikal erfolgt, so laufen die Rollen, abgesehen natürlich von der Beweglichkeit des Wassers, ebenso wie Räder auf Schienen. Das Prinzip der neuen Konstruktion ist am besten zu verstehen, wenn man sich zwei gewöhnliche Zinnteller mit der hohlen Seite an einander gelötet denkt. Die so entstandene linsenförmige Scheibe aufs Wasser gestellt und vorwärts gestoßen, wird längere Zeit dahinschießen, bevor der Widerstand des Wassers ihre Bewegung hemmt; wenn man aber der Scheibe, ehe man sie vorwärts stößt, eine stark rotierende Bewegung verleiht, z. B. mittels Spindel, so wird man finden, dass sie das Wasser zerteilt, statt es vor sich her zu stoßen und dass sie eine viel größere Strecke als beim bloßen Vorwärtsstoßen durchlaufen wird.

Neben größerer Schnelligkeit wird dem neuen Fahrzeug aber auch größere Stabilität im Vergleich zu den jetzigen Dampfern nachgerühmt, sodass die Passagiere weniger unter der Seekrankheit zu leiden haben dürften. Auch die Licht- und Luftverhältnisse sollen günstiger sein. Die erhoffte größere Geschwindigkeit würde naturgemäß die Fahrt verbilligen und den Kohlenverbrauch vermindern. Das neue System braucht an und für sich weniger Kohlen; Bazin glaubt, dass ein transatlantischer Dampfer, nach seinem System gebaut, bei 10000 HP 32 Knoten zurücklegen und dabei 600 t Frachtgut mehr mitführen könne, als große Dampfer nach dem alten Stile, die mit 30000 HP nur 20 Knoten pro Stunde machen. Gewöhnliche Lastschiffe würden bei weniger Kosten ebenso schnell fahren können, wie jetzt die Schnelldampfer. Beim System Bazin würden auch die Unfälle sich wesentlich vermindern, denn bei einem Zusammenstoß z. B. würde sicher wenigstens ein Paar der Rollen unbeschädigt bleiben und diese würden genügen, um das Schiff flott zu erhalten, bis es einen Hafen erreicht hat.

Unsere Abbildung, Fig. 220, zeigt uns den Grundriss des Decks, sowie die Anordnung der einzelnen Schiffsräume darauf; darin bezeichnet A den Dampfkessel, B den Kesselraum, C die Kohlenlager, D den Ventilator, E den Maschinenraum, F den Kondensator, G die Waschreservoire, H die Maschine, I die Proviantkammer, J den Lampenraum, K die Kajüte, L die Kommandobrücke, M das Ingenieur-Zimmer, N den Salon und O die Schiffsküche. Quer- und Längsschnitt Fig. 218 u. 219 lassen die eigentümliche Bauart des ganzen Schiffes erkennen.

Der „Ernest Bazin" wird zum Zweck eingehender Prüfung von Fachleuten Probefahrten bei Rouen und später auch auf der Themse abhalten. Sollte sich das System bewähren, so wird sofort mit dem Bau eines großen Schiffes mit vier Rollenpaaren, das für den transatlantischen Verkehr bestimmt sein wird, begonnen werden.

Quelle: Uhland’s Verkehrszeitung und industrielle Rundschau, 10. Jahrgang, Nr. 42, 15. Oktober 1896.

Wolfgang (SAGEN.at)
 

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