Grüß Euch,
auch hier möchte ich einfach an einen vorhandenen Beitrag anschließen und von einem Schutzprojekt berichten - denn Klimawandel, Klimaproblematik, Lebensraumverlust, Bodenversiegelung, Artensterben und großflächigen Borkenkäferkalamitäten zum Trotz geht das Waldsterben lustig weiter ... :
Es geht im Detail um einen Eichenwald im Ausmaß von ca. 100ha, der im Schnittpunkt der Gemeinden St. Valentin, St. Pantaleon-Erla und Ennsdorf in Niederösterreich liegt. Dieser Wald entspricht großteils lt. EU-Verordnung (Anhang I der FFH=Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) dem Schutzgut "Lebensraumtyp 9170, Eichen-Hainbuchen-Wald".
Dieser Wald wurde lt. Presseberichten im Juli 2015 von einer NÖ Landtagsabgeordneten, einer lokalen BürgermeisterIn sowie den Grundbesitzern - der OMV - als Wirtschaftspark projektiert. Der Öffentlichkeit werden nur ungefähre Abgrenzungspläne präsentiert, die ungefähr 48 ha umfassen - und die sind eben im Besitz der OMV. (Wir haben diesem Waldstück den Arbeitstitel "Raader Wald" nach einem kleinen angrenzenden Weiler genannt, da es namenlos war und in keiner Karte verzeichnet.)
Im August 2015 gab es einen Pressebericht bezüglich eines zu schaffenden Parkplatzes (für dort situierte industrie) auf der Fläche dese sogenannten "Herzograder Waldes", wobei hier argumentiert wird, dass "nur" 25% der Waldfläche zu einem Parkplatz wird und eine Beeinträchtigung der angrenzenden Waldfläche "aufgrund der Artenzusammensetzung" (O-Ton Amt) nicht zu erwarten sei. Es gab "keine so wertvollen Faktoren" und "alle nachhaltigen Wirkungen ausgleichbar (Man beachte die Verwendung von "nachhaltig" statt nachteilig!) Dieses Projekt wurde entgegen dem Protest der dort wohnenden Anrainer flott durchgezogen ...
Im Juli 2016 gab es einen ersten Leserbrief an eine lokale Gratis-Zeitschrift, wo für den Schutz des "Raader Waldes" eingetreten wird - und im Mai gab es nach dem Zusammenfinden mehrerer Mitstreiter die erste Nennung unserer Gruppe als "Freunde des Raader Waldes" in der Berichterstattung.
Im Oktober 2016 wurden Tafeln aufgestellt mit "Befristetes forstliches Sperrgebiet" - erste vorerst bäuerliche Schlägerungen von ökologisch äußerst wertvollen Alteichen (bis 90cm Durchmesser am Stammfuß) erfolgten. Das für einen gesunden Wald so wichtige "Totholz" (abgestorbenes Astmaterial, Spechtlöcher, Bruthöhlen, Übertagungshöhlen für Fledermäsue etc.) wurde auf diesem Weg drastisch reduziert, so manche Tierart der notwendigen Lebensgrundlage komplett beraubt.
Wir nehmen im Dezember 2016 Kontakt auf mit der Umweltanwaltschaft, die beruhigend vermeldet, dass die Betreiber vom Wirtschaftspark Abstand genommen haben.
Im Jänner finden flächige Rodungen und Fällungen statt, die durch uns mittels Anzeige bei der BH eingestellt werden konnten. Der Umweltanwalt leitete ein
Verfahren zur Feststellung der Schutzwürdigkeit als "Flächiges Naturdenkmal" ein - die weitere Bewirtschaftung der Fläche wurde für ein Jahr ausgesetzt.
Oktober 2017 wurde die Beschwerde der OMV gegen obiges Verfahren vom VWGH zurückgewiesen, das Bewirtschaftungsverbot blieb aufrecht.
Im Februar 2018 ist die Beurteilung durch das Amt immer noch nicht fertig - so bleibt es bis Juni 2018 - wir haben in der Zwischenzeit begonnen, mittels intensiver Untersuchungen, Begehungen und fotografischer Dokumentation ein Arteninventar zu erstellen, um seltene, schützenswerte und vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten nachzuweisen ... was uns auch gelingt ... aber nichts nützt!
Im November 2018 ergeht der negative Bescheid, das Naturdenkmalverfahren wird eingestellt! Den Bescheid erhalten wir aber vorerst nicht, erst nach Berufung auf das Umweltinformationsgesetz ... im Dezember 2018.
Nun, der Wald steht auch heute noch - einige Voraussetzungen haben sich inzwischen verändert, wir sind präsent in der lokalen Presse, der Wald ist heute der Öffentlichkeit bekannter als 2015, die Themen Klimawandel und Artenschwund bei Insekten, Bienen- und Vogelsterben, Borkenkäferkalamitäten in praktisch allen Fichtenwäldern machen einen Eichenwald (hoffentlich) wertvoller ... und nicht so leicht "eliminierbar". Allerdings ist die Begehrlichkeit auf andere Art gewachsen: Schotterabbau (der Wald steht auf praktisch reinem Schotterboden), Varianten möglicher Umfahrungsstraßen (Mauthausener Donaubrücke), Betriebsgelände ... alles schwebt im Raum! Aber noch steht der Eichenwald ...
Die Gemeinde hält bisher still, außer bei der soeben durchgeführten Gemeinderatswahl hat man leise ins Wahlprogramm den "Naturschutz, z.B. Raader Wald" geschrieben ... aber nach der Wahl ist nicht vor der Wahl ...
Man muss dem Besitzer OMV dafürhalten, dass es sich um irgendwann in den 70er-80er Jahren gewidmeten Gewerbegrund handelt; eine Umwidmung/Rückwidmung ist lt. Bürgermeisterin nicht möglich. Inzwischen haben wir jedoch Unterlagen, dass seinerzeit dieser Wald "Schützenswerter Landschaftsteil" war ... DAMALS war eine Umwidmung in Gewerbegrund trotz heftiger Diskussion im Landtag (Protokoll liegt vor!) kein Problem - seltsam!
Ich werde hier gerne weiter berichten ... und wenn möglich in der Fotogalerie die wichtigsten und auffälligsten und seltensten und schützenswertesten Tiere und Pflanzen gerne dokumentieren. Es ist sogar für mich als ehemaligen Nationalpark-Mitarbeiter überraschend, was wir alles entdecken und dokumentieren konnten - und was wir an ökologischen Zusammenhängen, an ganzen komplexen Öko-Systemen dazulernen durften! Viele Geschichten gibt es davon zu erzählen - und das ist auch ein Wunsch von uns, diesen Wald als "Grünes Klassenzimmer" für die ohnehin schon so naturfremde Jugend für Ausgänge und Exkursionen zu nutzen - aber auch für die Erwachsenenbildung einzusetzen!
Fragen, Anregungen, Diskussion und natürlich auch Hilfe sofern möglich gerne erwünscht! Wie denkt Ihr über den Umgang mit der Ressource WALD in der bisherigen und jetztigen Zeit? Was wißt Ihr über den WALD überhaupt und weshalb sollen/müssen wir ihn erhalten - oder glaubt Ihr an Alternativen? (Bitte hier NUR WALD, sollte Interesse an den Themen Klima, Artensterben etc. bestehen, einen eigenen Thread eröffnen, da die Themen wenn natürlich auch zusammenhängend doch im Detail zu umfangreich würden. Danke!
Bis Bald
Norbert