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Eine Bericht über die Pest in Tirol zeigt, wie spannend Volkskunde ist.

Auch hier freuen wir uns über erklärende Details und aktuelle Fotos.

Ein Pestgrab in der Gemeinde Söll, Tirol
Mitgeteilt von Carl Wagner.

Im Frühjahr 1939 wurde die Gendarmerie in Söll verständigt, dass im Rechaugraben in der Nähe eines alleinstehenden Bauernhofes eine Leiche läge. Postenkommandant Heinrich Lentsch machte sich sofort auf den Weg, um die Leiche zu agnoszieren und deren Überführung nach Söll zu veranlassen. Die an Ort und Stelle vorgenommenen Verhöre des Bauern und seiner Angehörigen fanden in der Stube des Bauern statt.

Die erwachsene Tochter des Bauern fragte bei dieser Gelegenheit den Gendarmeriebeamten: „Was machts mit dem (die Leiche); gebts den auch zu den andern?“ Ganz verwundert fragte der Postenkommandant: „Zu welchen andern?“ Nun erzählte der Bauer, dass sich in unmittelbarer Nähe ein Grab befände, mit einem Stein und einer Jahreszahl, die aber nicht mehr zu entziffern sei. In einem alten Kalender habe er eine Aufschreibung gefunden, wonach in dem fraglichen Grabe ein an der Pest Verstorbener begraben liege. Da die Abwicklung seiner Obliegenheiten eine weitere Nachforschung nicht zuließ, ging Postenkommandant Lentsch nach einigen Tagen wieder zum Rechaubauern und ließ sich das Grab zeigen. Nachdem er das den Stein überwuchernde Moos entfernt hatte, kam die Jahreszahl „1.635“ zum Vorschein. Bei dem Bauern zu Rechau fand sich eine alte Aufzeichnung, die jedoch aus einer späteren Zeit stammte und nur als Überlieferung gewertet werden konnte. Sie lautete:

„Als zu Rechau die Pest ausgebrochen war, sagte der Rechaubauer zu den Nachbarn, lasset uns allein zu Rechau, damit nicht auch Ihr angesteckt werdet. Wenn Ihr aber von unserm Hause keinen Rauch mehr aufsteigen sehet, dann bitte ich Euch, kommt und begrabet uns. Die Nachbarn, welche ungefähr eine Viertelstunde weit entfernt wohnten, schauten alle Tage, ob zu Rechau noch Rauch aufgehe. Eines Tages sahen sie keinen Rauch mehr. Da gingen sie hin und fanden das Haus leer. In der Nähe des Hauses aber sahen sie ein offenes Grab und als sie in dasselbe hineinschauten, lag die Leiche des Bauern, der zuletzt gestorben war, darin. Er hatte sich selbst sein Grab gegraben und zum Sterben hineingelegt, damit die Nachbarn weniger von der Krankheit angesteckt werden. Diese schlossen das Grab und setzten einen einfachen Grabstein darauf, der noch heute im Rechaumoos zu sehen ist.“

Herr Postenkommandant Lentsch, der für Heimatkunde ein besonderes Interesse zeigt, ersuchte nun den Herrn Pfarrer Speth um Nachschau im Pfarrarchiv. Diesem Ersuchen kam der Herr Pfarrer bereitwilligst nach und übergab nach einigen Tagen dem Herrn Postenkommandanten folgenden Auszug aus dem Sterbebuch des Pfarramtes Söll:

Im Sterbebuch I./182 des Pfarramtes Söll ist folgendes verzeichnet:

1635. Sequentes peste sublati sunt in Rechau, quam pestem mulier vaga detulisse perferunt alii autem ex lectis a rustico loci ex locis pestiferes allatis ortum durisse aiunt.
Sept. 22. Mulier vaga in coemeterio sepulta.
27. Vir vagus sepultus in der Au prope Rain.
Octob. 5. 9. 20. 21 Rustici infantes quatuor hic sepulti.
Novemb. 5. Octob. 22. Joannes Gindfinger Rusticus, et cognata sua Anna Gindfinger domi sepulti.
Octob. 21. Barbara Rustici uxor hic sepulta.

Übersetzung:

Folgende in Rechau sind der Pest verfallen, welche Pest ein vazierendes Weib hergebracht haben soll, andere aber sagen, sie sei eingeschleppt worden durch Betten des Bauern, die er aus verpesteten Orten hergebracht habe.
Sept. 22. das vazierende Weib, im Friedhof begraben.
27. ein vazierender Mann in der Au bei Rain begraben.
Oktob. 5., 9., 20., 21. vier Kinder des Bauern hier begraben.
Nov. 5., Oktob. 22. Johann Gindfinger, Bauer, und seine Verwandte, Anna Gindfinger zu Hause begraben.
Oktob. 21. Barbara, die Gattin des Bauern, hier begraben.
F. e. Pfarramt Söll, 24. Mai 1939. Josef Speth.

Durch diese Aufzeichnung im Sterbebuch des Pfarramtes Söll erhält die Überlieferung, wie sie aus den Ausschreibungen in dem Kalender des Bauern in Rechau hervorgeht, ihre Bestätigung und zeigt uns, in welch erschreckender Weise innerhalb eines Monats die Insassen eines Bauernhofes (drei Erwachsene und vier Kinder) von der Pest dahingerafft wurden.

Quelle: Carl Wagner, Ein Pestgrab in der Gemeinde Söll, in: Tiroler Heimatblätter, Monatshefte für Geschichte, Natur- und Volkskunde, 24. Jahrgang, Mai - Juni 1949, S. 89 - 90.

Bildanhang: Pestgrab Söll (Bezirk Kufstein), Tirol.

Wolfgang (SAGEN.at)
 

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Ada Paul bringt diese Geschichte auch in ihrem Buch "Steinkreuze und Kreuzsteine in Österreich", Steinkreuzforschung 5, Regensburg 1988 auf den Seiten 57 und 58. Es handelt sich demnach um einen Kreuzstein, der inmitten einer Alm am Eiberg im sogenannten "Rechaumoos" steht.
 
hab damal von einer Geschichte gelesen, wo die Pesttoten in in einer Tongrube begraben wurden. als jahre später ein Töpfer die grube öfnete um Ton abzubauen brach die Pest wieder aus.
 
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