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Der Mann ohne Kopf in der Pitzlinger Teufelskuchen

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Hojeweible

Guest
Geht man in Landsberg vom "Kratzer Wirth" nach Süden, unterhalb des Nagelfluhhanges aus der Stadt, dem Dorfe Pitzling zu, kommt man nach etlichem Fußmarsch auf dem Landsberger Gangsteig hinauf durch eine Eng zu einem kleinen, tiefen Tobel. Der ist von einem leuchtenden Blau, das schillert und glänzt, obgleich das Himmelsblau von den Bäumen, die den Tobel dicht an dicht umstehen, niemals zum Wasser dringt. Über den Tobel ist an der tiefsten Stelle eine Brücke gebaut, aus Holz und gerade so breit, dass zwei Leute nebeneinander gehen mögen und sich ihre Schultern berühren. Dieser Tobel und die Schlucht, in der er liegt, wird seit alters her Teufelskuchen geheißen. Über die Teufelskuchen gibt es viele Geschichten, und die wenigsten davon nehmen ein gutes Ende.
So geht nach der Leutsag dort seit etwa dem 14. Jahrhundert ein Mann um, sein Gewand aus Sammet und Seide, der prächtige Mantel von einem kostbaren Fürspann gehalten und mit Pelz verbrämt. Allein ist die ganze Gewandung, ja der ganze Mann schwarz, wie das Pech der Hölle! Der Schreckliche trägt sein Haupt abgeschlagen unter dem Arm und streckt jenen, denen er begegnet bittend die Hand hin, wie also ein Geist, der erlöst sein will. Die meisten, die ihn sehen mussten, erlebten dies an einem Freitag noch vor Sonnenaufgang, noch vor dem blasse Licht, das denselben ankündigt. Doch tat er keinem ein Leid, nur stand er da und streckte bittend die Hand vor, die weilen die andere Hand sein schauerliches Haupte an seinen Körper presste.
Vor etlicher Zeit, so erzählen sich die Leute, gingen drei Männer nach Haus von Pitzling. Es waren der Oberländer, der Kohlhans und der alte Difi. Die ersten zwei hatten auf dem Grund ihrer Krüge im Laufe des Abends im Wirtshaus einiges an Mut gefunden, so wird erzählt. Wie die drei also den Weg von Pitzling herunterkommen und den Steg über den Tobel in der Teufelskuchen betreten, tritt ihnen der kopflose Mann entgegen. Es ist ganz still, kein Luftzug regt sich, er steht nur vor ihnen und streckt ihnen stumm die Hand entgegen. Der alte Difi, der am Schlusse gegangen, weicht zurück, bekreuzigt sich und bleibt am Ufer stehen. Die anderen beiden aber, spüren den Mut aus den Bierkrügen hochsteigen und der Kohlhans, der glaubte zu sehen, es stünden zwei Männer ohne Kopf vor ihm, lachte lauthals, die beiden wären recht zum Brettertragen und der Oberländer deutete auf die Erscheinung und konnte vor Lachen nichts mehr sagen. Der Difi hat später wohl erzählt, dass der Mann ohne Kopf die Hand, die er den Dreien bittend entgegenstreckte, sinken ließ und sich langsam von ihnen abwandte. Während er das tut, wird es kalt, totenkalt, um sie her. Am anderen Ufer zieht sich Wind zusammen ohne dass die Männer ihn spüren können, allein die welken Blätter, die mit ihm in die Höhe gerissen werden zeigen ihn an. Keinen Gedanken später fährt der Wind von ober wieder herab und auf die beiden Spötter zu. Mit dem Wind fährt ein Hagelschauer auf sie nieder und derweil das geschieht, ist es noch immer totenstill in der Teufelskuchen.
Der Oberländer und der Kohlhans haben das Strafgericht wohl überlebt, aber sie haben beide noch Wochen hernach ausgesehn, als habe der Teufel Erbsen auf ihnen gedroschen und der Kohlhans hat mit seinem linken Auge für seinen Spott gezahlt. Dem Difi aber hat es nichts getan.
Keiner hat seitdem mehr gewagt, mit dem kopflosen Mann Spott zu treiben. Ob er erlöst worden ist, oder noch immer umgehen muss, darüber ist mir nichts bekannt.


ein bisschen gedehnt, ein klein wenig ausgeschmückt und frei nachfabuliert vom Hojeweible
(frei nach der Volkssage: Der Mann ohne Kopf in der Pitzlinger Teufelsküche, gesammelt von Bernhard Müller-Hahl; Sagen und Legenden zwischen Lech und Ammersee, 1987, Landsberger Verlagsanstalt)
 
Hojeweible dankt Euch beiden und lehnt sich zufrieden schmunzelnd in ihren Lehnsessel zurück. Schliesslich ist November, da muss man sich hin und wieder gruseln. - Oder jemanden zum gruseln bringen... ;)
 
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