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So wurde einst das Bauernbrot!

„Schwarzes Brot macht Wangen rot.
Weißes Brot macht Wangen tot.“

So weiß es der Volksmund. Und ich gebe ihm recht, denn ganz vortrefflich mundet uns ein Stück grobkörnigen Bauernbrotes. Den Städter ergreift manchmal eine Sehnsucht nach den großen, runden Laiben, die so einladend auf den Bauerntischen liegen.

Alle drei bis vier Wochen wiederholt sich im Bauernhaus das Brotbacken. In der modernen Bauernküche ist das heute ein Vergnügen, gestand mir kürzlich eine junge Bäuerin, die vor zwei Jahrzehnten vor mir auf der Schulbank saß. In meinen Kindheitstagen aber war das Brotbacken noch eine mühevolle Arbeit und erforderte große Gewissenhaftigkeit.

In einem Winkel der großen Bauernküche, gewöhnlich hinter dem Sparherd, stand noch aus den Zeiten der Rauchstube der mächtige Backofen. Schon am Vorabend des Backens wurde dieser Ofen mit dem nötigen Holz versorgt. Vor dem Ofenloch war im Fußboden eine Vertiefung. Davon nahm die Bäuerin einige Brettchen weg, um so zum Ofenloch zu gelangen. Die kleinste Magd oder auch ein „Schualerdirndl“ kroch, angetan mit einem zerlumpten Kittel und einem alten Kopftuch, in den Backofen und nahm die „Bachscheiter“, mächtige, klobige Trümmer, von der Bäuerin entgegen. — Diese Scheite wurden im Winter für das ganze Jahr gerichtet und an der Südwand des Hauses „aufgeleggelt“, damit ihnen die Sonne alle Feuchtigkeit entziehen konnte. Das Backholz wurde aus astigen Fichtenstämmen gerichtet. Es wurde nicht „gekloben" — gespalten —, sondern „gemuselt“, also mit Keilen und Schlegeln zerkleinert.

Die Magd ordnete nun im Backofen die Scheite. Sie baute ein „Kastl“ oder eine „Greamatn“ und legte so viele Scheite zu einem Geviert übereinander, als der Ofen Laibe fassen konnte. „Für a niads Leabl a Scheit", lautete der von den Eltern übernommene Grundsatz. In die Mitte gab die Magd noch eine Handvoll dünne Späne und kroch dann, manchmal berußt wie ein Rauchfangkehrer, wieder aus dem niederen Ofen.

Noch am gleichen Abend wurde das Brot „ångetampfelt“. Die Bäuerin holte aus der „Kematn“ (Speisekammer) die „Brotdeasn“, auch Brotschrein oder Brotmolter genannt und stellte sie in der Küche auf ein Holzkreuz. Die „Deasn“ wurde mit Mehl fast angefüllt, darauf hat man Salz und Kümmel gestreut. Und in den „Tumpf“, der in der Mitte ausgemacht wurde, kam das Tampfel zu liegen. Dieser Sauerteig war ein Rest vom letzten Backen und musste an einem feuchten Ort aufbewahrt werden. Über Nacht blieb nun alles ruhig stehen, damit das Tampfel gehen konnte.

Wenn man beim letzten Backen auf das Tampfel vergessen hatte oder wenn es die Ratten auffraßen, musste man beim Nachbar eine Portion ausleihen, was immer als Schande empfunden wurde.

Schon um drei Uhr in der Früh begann die weitere anstrengende Arbeit, weil nach einer alten Überlieferung der Brotteig keinen Tag sehen darf. Die stärkste Magd, die Marin, musste früh aus dem Bett und fand dafür neben der „Brotdeasn“ eine Jause gerichtet. Außerdem gebührte ihr nach jedem Backen das „Kneterstriezel“, ein zusätzlicher Brotwecken.

Die Marin rührte nun das Tampfel tüchtig um, gab Wasser hinzu und knetete den Teig einmal durch. Nun wurde der Teig in einzelne Stücke, sogenannte Wellen, geschnitten, und jede Welle wurde wieder tüchtig durchgeknetet, dass einem beinahe die „Fingerkniebel“ brannten. Zu dieser Arbeit erschienen auch schon die anderen Mägde, und die Bäuerin rief ihnen manchmal zu: „He Menscher, dös müaßts so fest kneten, dass man bis vor die Kuchltür auße reapatzn hört!“ — Erst dann war der Teig richtig geknetet, wenn man die zarten Rillen der Daumenspitzen darin sichtbar abdrücken konnte. Nur so hatte man die Gewähr, dass das Brot nicht „hebrindig“ wurde, dass also zwischen Mull und Rinde kein Raum entstand.

Während die Wellen „gingen“, heizte die Marin den Backofen. Sie steckte einen langen brennenden Span in die Späne der „Greamatn“, und bald krachte und knisterte es im Ofen, dass es eine Freude war, diesem Feuerspiel beizuwohnen. War die „Greamatn“ so weit abgebrannt, dass sie in sich zusammenfiel, wurden die Laibe geformt und auf die Brotbretter gelegt. Mit einem Messer machte die Bäuerin noch drei Schnitte bzw. Kreuze in den Laib, damit der Segen beim Brot bleibe. Vor Weihnachten aber drückte sie in das Quatemberbrot etliche Male den Schlüsselbart des großen Schlüssels vom Getreidekasten; damit wollte sie „das Jahr zusperren“ und dankbar andeuten, dass das Brot wieder für ein ganzes Jahr gereicht habe. Bei diesem Tun aber richtete sie zugleich die Bitte an den Allmächtigen, er möge auch im neuen Jahr allen im Hause genug Brot geben.

Das Quatemberbrot wurde als besonderes Heilmittel für Mensch und Tier angesehen, besonders dann, wenn es am Weihnachtsmorgen bei allen drei heiligen Messen geweiht wurde. — Ein Dreimessenbrot wurde früher im Bauernhaus während des ganzen Jahres aufbewahrt, weil es Schicksalsschläge aller Art von Haus und Hof und seinen Bewohnern abhalten konnte.

Leuchtete nur noch feurige Glut aus dem Backofen, so wurde diese mit der „Ofenkrucke“, einem langstieligen, hölzernen Werkzeug, „zriascht“, d. h. im ganzen Ofen gleichmäßig verteilt. Hatte nun der Ofen genug Hitze, so wurde die Glut mit der „Ofenkrucke“ seitlich vor das Ofenloch befördert. Die zurückgebliebene Asche wurde mit der „Leitrat“, einem an einer Stange befestigten, feuchten Lappen, herausgeputzt. Dieses Auswischen hatte von links nach rechts zu erfolgen, um den Sonnenlauf nachzuahmen. Mit einer Faustvoll Mehl untersuchte die Bäuerin noch die Hitze des Ofens. Wurde das Mehl auf dem Grunde des Ofens sofort schwarz, so war er noch zu heiß; wurde aber das Mehl braun, so hatte er die richtige Backwärme.

Nun wurden die Laibe zum Ofen befördert. Vor dem Loch benetzte sie die Bäuerin mit Wasser, und nun „schoß“ sie die Laibe in den Rachen des Ofens. Sie gab die Laibe auf die Ofenschaufel oder auf den „Schiaßling“, eine runde Holzschaufel, und reichte sie damit in den Ofen. Das Brotsetzen musste so rasch vor sich gehen, bis drei Späne, welche als Ofenleuchte dienten, abgebrannt waren. Hatte die Bäuerin auch das Ofenloch geschlossen, so machte sie davor mit der Ofenschaufel noch ein Kreuzzeichen, damit das Brot gut gerate.

Durch zwei Stunden buk nun das Bauernbrot in der Hitze von etwa 200 Grad Celsius. Erst wenn sich ein angenehmer, der Bäuerin wohlbekannter Geruch bemerkbar machte, holte sie das frischgebackene Brot mit der „Ofenkrucke“ wieder aus dem Ofen und wischte die Laibe mit Wasser ab, damit sie einen Glanz erhielten.

Während des Backens durfte das Ofenloch nicht geöffnet werden. — Eine junge Bäuerin in St. Oswald war einmal sehr neugierig, wie ihr Brot geraten werde. Darum öffnete sie wiederholt die Ofentür, um nachzusehen, ob die Laibe schon die übliche knusprige Bräune besitzen. Als das Brot auch nach der dritten Nachschau noch nicht fertig war, stieß sie verärgert einen Fluch aus. Nun geschah im Ofen etwas Furchtbares. Als sie die Ofentür wieder zur Seite rückte, sah sie im Backofen nur schwarze Teigklumpen, die zu Teufelchen geformt waren. — Diese Bäuerin hat ihren Backofen nie wieder während der notwendigen Backzeit geöffnet.

Erst wenn das Brot kalt geworden war, wurde es in den „Tradkasten“ oder in eine Kammer auf den Dachboden getragen. Die Laibe wurden hier auf einem Holzgestell, der „Brotrebm“, so nebeneinander aufgestapelt, dass einer den anderen nicht berühren konnte, weil halbkreisförmige Stäbe sie voneinander trennten. (Die Brotrebe hat ihren Namen von den rippenartigen Holzstäben.)

Auf der Brotrebe muss immer noch ein Laib von der vorigen „Back“ vorhanden sein, denn „Mühlwarm und Ofenwarm machen den reichsten Bauer arm.“

Das Brot war und ist der kostbarste Besitz in der Vorratskammer jeder Bäuerin. Auf dass es niemals ende, macht sie auch heute noch ein dreifaches Kreuzzeichen über die Unterseite des Laibes, ehe sie ihn anschneidet. Dabei meint sie: „Dass a der Segen dabei i!“

Die Bäuerin schnitt das „Raftl“, die Ranft oder das Scherzl ab, ehe sie den Laib zur Verwendung auf den Tisch legte. Nun erst griffen die Leute freudig nach dem täglichen Brot. Ein Laib mit dem „Raftl“ deutet auf eine geizige Bäuerin hin. „Von an gånzn Lab getraut man si nix åcherschneidn“, munkelten dann die Leute. Das in Verwendung stehende Brot wurde in der „Tischtrugn“ aufbewahrt; diese durfte aber nicht gegen die Küchentür gerichtet sein, was auch dem Segen des Brotes geschadet hätte. Das Gleiche trat auch ein, wenn der Brotlaib mit den drei Kreuzen nach unten oder mit dem Raftl gegen die Öffnung der Tischlade zu liegen kam.

Niemals geizte die Bäuerin mit dem Brot. Jedem Gast, der das Bauernhaus betrat, wurde eine Jause vorgesetzt, bei der das kraftvolle Brot nicht fehlte. Kam ein Nachbarkind zu den Spielkameraden ins Bauernhaus, so ging es nie ohne ein Stück Brot heimwärts, denn vom fremden Brot sollte man tüchtig wachsen.

Beim Verschenken des Brotes war aber die Bäuerin auch etwas vorsichtig. Auch dem Gast stellte sie nie einen Brotlaib mit dem Raftl hin. Und dieses Raftl kam in die Tischlade zurück, bis es ordentlich hart war; dann durften es die Schweine mit der Kaspel fressen. Nicht einmal einem Bettler gab man dieses oder gar das letzte Raftl eines Laibes, sonst mußte man im Alter selbst betteln gehen.

Am Bauerntische achtete die ganze Runde auf das letzte Raftl eines Brotlaibes. Nur Verheiratete sollten es essen. Führte es unversehens ein Lediger zum Mund, so musste er noch sieben Jahre auf das Eheglück warten. Brautleute erhielten am Morgen ihrer Trauung von der Mutter heimlich etliche Brotstücke in die Tasche gesteckt, damit sie in ihrer Wirtschaft gut vorwärts kamen. Vom Brot, das auf die Hochzeitstafel kam, sollte das neuvermählte Paar einen Rest mitnehmen, dann konnte es sein Lebtag gut „hausen“.

Kam im oberen Gurktal eine junge Bäuerin ins Haus, so übergab ihr die alte Hausfrau einen Brotlaib, auf dem der Schlüssel zum Tradkasten lag, als Zeichen dafür, dass sie nun dieser die Herrschaft im Hause abtreten wollte. Die alte Bäuerin schätzte nun ihre Nachfolgerin nach der Art ein, wie sie den Brotlaib behandelte. Wenn sie den Laib gleich anschnitt und das „Raftl“ in die „Tischtrugn“ legte, so hatte das Haus eine fürsorgliche Bäuerin erhalten. Niemals durfte sie den Brotlaib mit dem Rücken auf den Tisch legen, sonst hatte sie beim Vieh Unreim oder ihre Kinder konnten nicht geraten.

Wenn man in ein neubeziehbares Haus zuerst Salz und Brot mitbrachte, so brauchte man darin niemals Mangel leiden. Wer ein fremdes Stück Vieh für seinen Stall kaufte, gab diesem als erstes Futter ein Stück Brot, dann konnte es sich leicht an seine neue Umgebung gewöhnen. — So wurde früher das tägliche Brot in mancherlei Beziehungen zum Schicksal der Menschen gebracht.

Am besten schmeckte mir immer das Brot unserer Bergbauern. Dort ist es dunkler und gröber als draußen in den flachen Tälern.

Quelle: Matthias Maierbrugger, Bauernbrauch im Kärntner Nockgebiet, Klagenfurt 1974, S. 134 - 140.

Bildanhang: Mit einer Holzschaufel wurden die Laibe in den Ofen "geschossen".


Über Eure Ergänzungen, Erzählungen und Erfahrungen mit traditionellem Bauernbrot freuen wir uns.

Wolfgang (SAGEN.at)
 

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Ein wirklich schöner Beitrag! Das Sprichwort kenne ich so: Trocken Brot macht
Wangen rot! Bei uns ist ja "Pumpernickel" heimisch (oder Schwarzbrot genannt).
Die Franzosen sollen (der Sage nach) dieses Brot für Pferdefutter gehalten
haben! Gesund ist es und wurde ärztlich verordnet z.B. bei Verdauungsbeschwerden (der höheren Gesellschaftsschicht). Das zitierte Sprichwort paßt da ausgezeichnet!
Vollkorn ist gesünder als Weißbrot. "Mein" Sprichwort stammt sicherlich aus
armen Zeiten, als Menschen froh waren, wenn sie eine Scheibe trockenes (!)
Brot bekamen. Man "stippte" (tunkte) dies auch (wenn man hatte) in ein warmes Getränk
oder in die Suppe, oft trank man nur Wasser dazu. In eine Tasse oder einen
Teller heiße Milch "gebrockt" gab es eine Milchsuppe. So wurden auch alte
trockene Brotscheiben verwertet (oder Altbackenes). Mir fällt noch ein: Rosinen waren eine
Verfeinerung. - Viele Grüße von Ulrike
 
Altes Brot ist nicht hart,
aber KEIN Brot ist hart!

Früher Zuhause war unser fast tägliches Abendessen Kaffee oder Milch mit alten Brot hinein geschnitten. Das schmeckte aber sehr gut. Wir waren zu zehnt und am Tag wurden ca. 2 Kilo Brot verbraucht, und das war damals im Verhältnis zum Verdienst von Vater schon sehr teuer.
Am Bauernhof wo mein Vater aufwuchs wird das Brot heute noch so gebacken, und im selben Ofen wie vor 100 Jahren. Mit dem gleichen Ofen wird auch die Stube (heute sagt man Wohnzimmer) in Form eines Kachelofens geheizt. Das ganze geht von der großen Lahm (Vorraum) aus.
Das Raftl oder bei uns Scherzl esse ich mein Leben gern, für mich das beste Stück vom Brot. Das kann auch etwas härter sein.
 
Ich esse bis heute lieber Brot als weißes Gebäck. Die Großmutter machte immer drei Kreuze, ehe sie einen Laib anschnitt, selbst gebacken hat síe nicht.
Wenn ich auf dem Acker mit war (sie hatten selber kein Land, aber bei Bauern Kartoffeln und Rüben für die Schweine, da mussten sie dann abarbeiten), sagte sie immer, ich darf nicht über das Getreidefeld gehen, da wächst unser Brot. Daran hab ich noch oft gedacht, als ich an den wogenden Feldern vorbei fuhr und mitten drauf standen Schilder: Industriegrund zu verkaufen.
Mein Stiefvater stammte von einem Bauernhof und ging Samstags arbeiten hin. Er kam immer mit einem Rucksack voll Essen heim, unter anderem auch ein Riesenlaib selbstgebackenes Bauernbrot. Davon hatten wir die ganze Woche und es war gut bis zum letzten Stück. Ich kann bis heute kein Brot wegwerfen, wenn etwas hart wird, geb ich es Tieren.
 
Vor kurzem beobachtete ich einen Kollegen, der sich selbst als an religiösen Dingen uninteressiert und "von der Kirche ausgetreten" bezeichnet, dabei, wie er einen frischen Brotwecken mit drei Kreuzen bezeichnete. Darauf angesprochen antwortete er (sinngemäß): "Das machte meine Mutter auch so. Brot ist unsere Grundnahrung und das Symbol für alle Lebensmittel. Davor sollten wir Achtung haben".
 
Diese Antwort ist perfekt.
Das Symbol aller Lebensmittel solte man Achten.
Und für die drei Kreuze brauche ich auch keine Kirche.
Liebe Grüße
 
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