Über den Kreuzen ist die ewige Ruhe, über den Kreuzen legt sich Trauer.
Es war letztes 2021 im September, wo wir erneut nach Italien/Rom aufbrachen und dieses Mal auch in Pomezia uns aufhielten. Wir hatten uns einen ganz bewegenden Auftrag erstellt: Den dortigen deutschen Soldatenfriedhof aufzusuchen um einen Soldaten zu finden, der dort an der Seite vieler Freunde und Kameraden seine letzte Ruhe fand. Ich will diese Atmosphäre an diesem reinen wie lichtreichen Tag, an welchem wir unteranderem auch versuchten, uns das Leid und die Schrecken vorzustellen, bei den Kampfhandlungen um den Brückenkopf, nie vergessen. Wie uns die in Reih und Glied stehenden, so vielen Kreuze empfingen, mit welcher Andacht wir auf den Wegen schritten und nichts aus dem Hier und Jetzt an uns zerren konnte. Dieser Soldat, dieser Junge, der gerade sein Abitur bestanden hatte, mit dem Namen Reinhold Weingand, war einst der Verlobte meiner Großmutter und sie formten sich ein wundervolles wie stets gefühlvolles, abenteuerreiches und gemeinsames Jugendleben. Beide waren sie noch halbe Kinder. Er hatte gerade das Gymnasium hinter sich gelassen und sein Wunsch war ein großes Gut mit vielen Pferden zu bewirtschaften, die er sehr liebte, in (Ostelbien) Ostpreußen. Er war ein Träumer und Visionär wie meine Oma später gerne sagte und auch sprach sie ab und an davon, „es wäre ja doch nichts geworden mit uns“. Aber vieles teilten sie eben und viele Briefe wurden geschrieben, wir haben diese noch heute bei uns. So z.B. 12 Feldpostbriefe, welche bis heute ungeöffnet blieben. Es erstaunte uns, zeigte es uns aber vielleicht auch, dass sie mit dieser Person „abgeschlossen“ haben musste.
Er war ein Feingeist und schaut man sich sein kindliches Antlitz an, man ist erschüttert, wie bei jedem jungen Gesicht, was der Krieg verschlang. Er erlebte, war auch in Russland und kam 1944 nach Nettuno, er hätte nicht gemusst, weil er schon verwundet war, doch er sprach in Bomlitz seiner Heimatgemeine, zu seiner Familie und seiner Ursel (meine Großmutter), er müsse zurück zu seinen Kameraden, er könne sie nicht zurücklassen. 1944 bei Nettuno viel dieser feinsinnige, empfindsame, mitteilungsbedürftige Mensch im Kampf gegen die Amerikaner. Viele Jahrzehnte später stehen wir an seinem Grabe, welches er mit zwei weiteren Soldaten teilt, hier in Italien umgeben vom süßlichen Duft, die Pinien rauschen seicht im Winde und in Pomezia oder auf dem Wege dorthin, ist nichts zu sehen von Spuren des Krieges. Hier in diesen malerischen Landschaften an das zu denken, was sich 1944 ereignet hatte, lässt einen verstummen, man kann es ja im Grunde kaum. Doch es war wichtig, sich nicht nur der Antike, den Künsten und den kulturellen Entwicklungen hinzugeben, sondern auch diesen Zeitabschnitt wieder zu begehen und auch zu versuchen die Soldaten oder vielmehr Reinhold sprechen zu lassen, ja vor allem nachdem wir einiges von ihm bei uns lesen konnten. Wir haben ja im Grunde nichts mit ihm zu tun, doch er hatte ja nun mal mit der Mutter meines Vaters zu tun gehabt, unserer lieben Großmutter, für die er sich so hingegeben hat. Wir ehrten diesen Zeitabschnitt von ihr immer wieder und sprachen darüber an seinem Grabe hier.