• Willkommen im SAGEN.at-Forum und SAGEN.at-Fotogalerie.
    Forum zu Themen der Volkskunde, Kulturgeschichte, Regionalgeschichte, Technikgeschichte und vielem mehr - Fotogalerie für Dokumentar-Fotografie bis Fotogeschichte.
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst Du eigene Beiträge verfassen und eigene Fotos veröffentlichen.

Schmugglergeschichten

Berit (SAGEN.at)

Active member
Schmugglergeschichten aus dem Pfossental, einem Seitental des Schnalstales und zum Vinschgau in Südtirol gehörig, habe ich neu online gestellt. Natürlich haben es mir auch die "Alten Klostergeschichten aus Karthaus" angetan und dabei haben wir versucht dokumentarische Erläuterungen bzw. Bildunterschriften mit einfließen zu lassen.

Karthaus ist mit seinem einzigartigen Kloster sicher einen Besuch wert und zum Glück ist es nicht touristisch überlaufen, wie so manch anderer Ort im Schnalstal.

Ich denke das das Schmuggeln ein weites Motiv in der Erzählkultur ist und bin auf eure Erlebnisberichte, Geschichten und Sagen gespannt!

Berit
 
Am 21. November 1924 wurde das Dorf Karthaus gegen 22.30 Uhr von einem fürchterlichen Brand heimgesucht. Zwei ältere Menschen fanden im Feuer den Tod. Die 72 Kinder unter 14 Jahren und der Rest der Dorfbevölkerung konnten sich retten.

karthaus.jpg


die rauchenden Ruinen von Karthaus am 22. November 1924
Bildquelle: Die Kartause Allerengelberg in Schnals, Georg Müller, Lana 1995, S. 130




Wiener Zeitung, Montag, den 24. November 1924, 221. Jahrgang, Nr. 269:
Brand eines Dorfes.
Wie der "Tiroler Anzeiger" meldet, ist am 21. d. M. nachts das aus 37 Häusern bestehende, 1323 Meter hoch liegende Dorf Karthaus im Schnalser Tal bei Meran bis auf zwei Häuser eingeäschert worden. Über 200 Personen sind obdachlos. Zwei Personen werden vermißt. Der Schaden beträgt eine Million Lire.

"Die Neue Zeitung", Montag, 24. November 1924, 18. Jahrgang, Nr. 323:
Ein Dorf in Südtirol niedergebrannt.
Drei Todesopfer?
Mailand, 23. November. Eine heftige Feuersbrunst hat die Ortschaft Certosa-Senules im Venoscetale in Südtirol zerstört. Das Feuer war in einer Scheune ausgebrochen und sprang infolge Wassermangels sowie Mangels an Löschgeräten auf 35 Bauernhäuser über, die eingeäschert wurden. Nur zwei Bauernhäuser blieben unversehrt. 200 Personen sind obdachlos geworden. Man vermutet, daß drei Vermißte in den Flammen umgekommen sind. Aus Meran ist Hilfe abgegangen.

Reichspost, 24. November 1924, 31. Jahrgang, Nr. 323 (269):
Großfeuer in Südtirol.
Aus Berlin, 24. November, meldet unser Radiodienst: Nach einem Telegramm des "Montag-Morgen" hat in dem Dorfe Certosa-Senales in Venosta (das ist möglicherweise die neue italienische Bezeichnung für Karthaus im Vinschgau) in Südtirol eine heftige Feuersbrunst gewütet. 35 Bauernhäuser wurden eingeäschert.


Der Winter 1924/25 muß für die Bevölkerung von Karthaus schrecklich gewesen sein. Das Dorf wurde wieder aufgebaut und stellt heute einen wunderbaren Platz dar.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Schmuggel hat insbesondere in den landschaftlich 'schwierigen' Grenzregionen - hierzu gehören sowohl Gebirge als auch Küsten - stets eine erhebliche Rolle gespielt, die auch in der regionalen Literatur, insbesondere im Bereich des Lustspiels und der Kommödien zum Ausdruck kamen. Für Norddeutschland fallen mir hier ad hoc niederdeutsche Literaten, wie August Hinrichs, Alma Rogge oder Karl Bunje ein.
In Alma Rogges Schwank "Twee Kisten Rum" geht es z.B. darum, wie der schlitzohrige Schiffer August von Katjendorp den wackeren Zollbeamten übers Ohr haut und die Lacher durchweg auf seiner Seite hat. Derartige Schmugglergeschichten waren in den Küstenregionen früher wahres Volksgut - leider geraten sie Stück für Stück in Vergessenheit, obwohl sie oftmals ein mutmachendes Beispiel dafür waren, wie kleine Leute der an der Küste nicht sehr beliebten Staatsmacht - Zollbeamte wurden noch zu meiner Kinderzeit an der Unterweser ihrer traditionell grünen Uniform als 'Grüne' bezeichnet - ein Schnippchen schlugen. Ähnliches galt auch seit je her für die Strandvögte, deren Aufgabe es war, den auch heute noch vielerorts üblichen Strandraub einzudämmen. Aber das ist ein anderes Kapitel.
 
Hallo Nicolaus,

wir haben leider auf SAGEN.at bisher das Thema "Schmugglergeschichten" leider etwas vernachlässigt und das, obwohl hier in den Alpen seit jeher das Schmugglerwesen sehr grosse Bedeutung hat bzw. hatte. Es ist allerdings auch nicht sehr leicht, hierzu Erzählungen oder aufgezeichnete Erzählungen zu finden, da man zu jeder Zeit bemüht war, die Erzähler bzw die genauen Routen zu anonymisieren...

Zu dem Problem der Quellenlage kommt weiters bei Schmugglergeschichten eine politische Dimension, der wir im Rahmen von SAGEN.at eher aus dem Weg gehen möchten: Im Kontext einer Internet-Präsentation von solchen Texten könnte ein Leser Geschichten aus dem Zusammenhang nehmen und anderswo zitieren, was mir bei der Breite und Aktualität des Themas problematisch erscheint: Eine Schmugglergeschichte aus dem 19. Jahrhundert kann inhaltlich und thematisch einer Geschichte von letzter Woche gleichen.

Trotzdem werden wir bei unseren Recherchen nun auch verstärkt auf Schmugglergeschichten achten.

Aus den deutschen Küstengebieten wären Schmugglergeschichten von größtem Interesse, hier würden wir uns auf jegliche Erzählungen und Hinweise sehr freuen!

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Da habe ich jetzt mal wieder nicht drüber nachgedacht...Leider gibt es auch aus norddeutscher Sicht eine ungeheuerliche politische Dimension im Bereich der Schmugglergeschichten - nämlich die des 11.09.2001 und die des Anschlags auf das WTC in New York, bei dem die sogenannte Hamburger Zelle um Mohammed Atta eine besondere Rolle spielte. Da hier oben vor allem politische Entscheidungsträger extrem dünnhäutig auf dieses Thema reagieren - die Geschehnisse vor fünf Jahren haben nicht wenige das Amt gekostet - erscheint es mir sinnvoll, das Thema zu schließen.
 
Hallo Nicolaus,

ich denke, es ist nicht sinnvoll, dieses Thema aus dem einen Grund 11. September zu schliessen. Ganz im Gegenteil: in der Region hier in Tirol etwa ist Schmuggel seit Jahrhunderten ein Tagesgespräch, wie halt' geschrieben, eher schlecht dokumentiert...

In unserer Region gibt es z.B. mehrere andere Staaten, deren Täler nur über andere Länder erreichbar sind, deren Wirtschaft zum Teil nur auf Schmuggel beruht. Da gäbe es noch sehr viel zu erzählen, aber wie finden wir die Erzähler...?

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Gleich vorweg

In unserer Region gibt es z.B. mehrere andere Staaten, deren Täler nur über andere Länder erreichbar sind, deren Wirtschaft zum Teil nur auf Schmuggel beruht.

eine hemmungslose Übertreibung! *lach

Und wenn keiner Schmugglergeschichten kennt, so will ich den Anfang machen:

Eine zeitgenössische Studenten-Schmugglergeschichte

Viele Studenten aus dem Vinschgau sind auf dem Weg zu ihrem Studienort Innsbruck über den Reschenpaß gefahren, um die Brennermaut und die Maut der Europabrücke zu sparen. Da die Zollfreizone Samnaun in der Schweiz nicht weit vom Weg ist, sind viele dorthin zum Einkaufen und noch viel mehr zum Tanken gefahren. (Als es noch keine Me-Bo, die neue Schnellstraße Meran-Bozen, gab fiel der Zeitaufwand nicht ins Gewicht.)

Zwei besonders gewiefte Wirtschaftstudenten aus Naturns haben sich in Samnaun jedesmal mit Zigaretten ausgestattet und diese dann im Internationalen Studentenheim in Innsbruck zu dem normalen Verkaufspreis in Österreich verkauft. Der Fahrer XY war sogar so geschäftstüchtig, dass er sich einen zweiten Tank im Auto eingebaut hat, um besonders viel Benzin in Samnaun tanken zu können.....

Ich sollte vielleicht noch anmerken, dass es damals (weiß nicht wie die heutige Gesetzeslage aussieht) vom Italiensichen Staat verboten war, eigens ins Ausland zum Tanken zu fahren und man natürlich belangt werden konnte. Die Bewohner der Grenzorte hatten daher sehr viele "Freunde und Bekannte" dort, wo das Benzin billiger war, und die sie regelmäßig besuchen fuhren. *ggg

Berit
 
Zuletzt bearbeitet:
In Samnaun gibt es tatsächlich ziemlich einige Tankstellen. Neben Benzin verkaufen die Tankstellen augenscheinlich auch Zucker. Allerdings in 20 Kg und 50 Kg-Säcken...

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Jeder Südtiroler kauft dort Zucker, es ist aber nur ein Zuckersack pro Auto erlaubt *lach

Kosmetik, Spirituosen und Uhren gibt es dort natürlich auch.

Ein anderes Tank- und Kosmetik Eldorado liegt für die "Vinschger" in Graubünden und zwar "Münster" oder Müstair. Dort wurde (wird?) auch gerne Babynahrung und Windeln gekauft.

Das italienische Pendent war u.a. über den Ofenpaß zu erreichen - Livigno (Lobardei, Sondrio). Dort wurden vorallem technische Artikel gekauft, Fotokameras zum Beispiel, aber auch Messer und Jagdutensilien.

Wie aus den Schlugglergeschichten im Schnalstal hervorgeht wurde früher viel Saccharin (für Diabetiker) geschmuggelt, eine Schmugglerware also, die man heute nicht so schnell als solche einschätzen würde.

Ebenso würde man nicht so leicht darauf kommen, was die Schweizer vom Vinschgau mit in ihre Heimat schmuggeln: Selchwaren, die in den südtiroler Metzgereien auf Wunsch vakuumverpackt werden und in eigens geschaffene Hohlräume des Autos versteckt werden.

Berit
 
Zuletzt bearbeitet:
Zum Thema Schmugglergeschichten in den Alpen sollte man auch den Innsbrucker Dichter und Geologen Adolf Pichler (1819 - 1900) erwähnen.

Adolf Pichler war zu Lebzeiten ein ziemlich populärer Dichter der in seiner Dichtung viel zu einem romatischen Alpenklischee beitrug. Bald nach seinem Tod geriet sein dichterisches Werk in Vergessenheit und wurde 1909 letztmalig ("Gesammelte Werke in 17 Bänden") auf Papier aufgelegt. Als elektronische Ressource steht sein Gesamtwerk als Faximilie zur Verfügung.

Adolf Pichler's Dichtung ist für heutigen Lesergeschmack zu langatmig und ausführlich, wer sich Zeit nehmen will, dem empfehle ich die schöne Wilderer- und Schmugglergeschichte "Vom Wilderer Stanis und vom Schmuggler Hois" auf SAGEN.at.

Wolfgang (SAGEN.at)
 
Unsere bundesdeutschen Freunde nehmen auch mit Vorliebe den 80%en Rum der Firma "Heu" (oder so ähnlich;) ) von Österreich in die BRD, da Alkoholika mit diesem hohen Alkoholgehalt dort nicht verkauft werden dürfen. In jeder Autobahn-Raststätte und Tankstelle vor der deutschen Grenze ist dieser Rum ein "Muss" im Sortiment.
 
Zurück
Oben